Aktion von Maria 2.0 Katholikinnen fordern mit Thesenanschlag Zugang zu Weiheämtern

Düsseldorf/Köln · Mit einer bundesweiten Aktion haben Katholikinnen von Maria 2.0 Reformen eingefordert: Sieben Thesen hefteten sie an hunderte von Kirchenpforten. Unterdessen hat Kardinal Rainer Maria Woelki in seinem Hirtenbrief zur Fastenzeit eingeräumt, auch als Erzbischof von Köln Fehler gemacht zu haben.

 Margit Weinheimer (links) und Irene Rose „schlagen“ die sieben Thesen von Maria 2.0 an die Kirchentüre der Düsseldorfer Klosterkirche St. Andreas.

Margit Weinheimer (links) und Irene Rose „schlagen“ die sieben Thesen von Maria 2.0 an die Kirchentüre der Düsseldorfer Klosterkirche St. Andreas.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Ein so vehementer reformerischer Ausruf war schon lange nicht mehr an katholischen Pforten zu hören wie jetzt am ersten Fastensonntag. Wie Martin Luther vor gut 500 Jahren nutzten die Frauen von Maria 2.0 bundesweit die Kirchentüren zur Pinwand ihrer Anliegen – darunter auch der Kölner Dom. Mit sieben Thesen richten sie sich an alle Menschen, „die guten Willens sind“, hieß es.

Ihre Forderungen unter anderem: Alle Menschen sollen Zugang zu allen Ämtern in der Kirche haben. Taten sexualisierter Gewalt sollen umfassend aufgeklärt, Verantwortliche zur Rechenschaft  gezogen und die Ursachen konsequent bekämpft werden. Die zölibatäre Lebensform dürfe nicht länger mehr die Voraussetzung dafür sein, das Weiheamt ausüben zu können, weil diese Verpflichtung ihrer Meinung nach viele Menschen daran hindert, ihre Berufung auszuüben. Schließlich erinnern die Frauen daran, dass die Kirche nur die Verwalterin eines ihr anvertrauen Vermögens sei, sie besitzt es also nicht. Und sie klagen an, dass die Kirchenleitung ihre Glaubwürdigkeit verspielt habe und es dadurch nicht mehr schaffe, sich im Sinne des Evangeliums für eine gerechte Welt einzusetzen.

Allein in Düsseldorf wurden etwa 50 Kirchentüren von Maria 2.0 plakatiert, wobei viele Zettel nach wenigen Minuten von Gemeindevertretern wieder abgenommen wurden, manchmal von den Pfarrern selbst. Anders dagegen vor dem Kölner Dom. Dort hatte man am Gitter des Südportals die sieben Thesen geheftet, doch selbst nach einer guten Stunde habe sich niemand aus dem Dom gezeigt, wie Bernadette Rüggeberg von Maria 2.0 Rheinland unserer Redaktion sagte. Dagegen habe es einigen Zuspruch von Passanten gegeben. Bundesweit dürften an mehreren Hundert Kirchen die Thesen von Maria 2.0 angeschlagen worden sein.

Die Aktion – die in Anlehnung an Martin Luthers legendhaften Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg 1517 natürlich auch provozieren sollte – dürfte auch Rom zur Kenntnis genommen haben. So wurde Anfang dieses Monats bekannt, dass sich die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre mit der Frauenreformbewegung aus Deutschland befassen soll. Das allerdings hat die Frauen in ihrer Arbeit nur bestätigt. Ein Ritterschlag ihres Wirkens sei das, ließ die Münsteranerin Lisa Kötter, eine der Mitbegründerinnen, verlauten. Maria 2.0 ist auch als eine Reaktion auf die Missbrauchsstudie entstanden und aus einer Mahnwache in Münster im Mai 2019 hervorgegangen. Eine weitere spektakuläre Aktion von Maria 2.0 war vor zwei Jahren der bundesweite Streik von Frauen mit kirchlichen Aufgaben.

Der erste Sonntag der Fastenzeit war für den bundesweiten Thesenanschlag der Fraueninitiative mit Bedacht gewählt, da ab Dienstag die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung auch über die rasant ansteigenden Zahlen der Kirchenaustritte diskutieren werden sowie über Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Dabei dürfte auch das Erzbistum Köln eine Rolle spielen – und in diesem Zusammenhang der Verdacht der Vertuschung, da ein vom Erzbistum in Auftrag gegebenes und abgeschlossenes Missbrauchsgutachen noch immer unter Verschluss gehalten wird.

Während an zahlreichen Kirchen im Kölner Erzbistum vor den Gottesdiensten die Plakate angeheftet wurden, verlasen die Pfarrer den Hirtenbrief von Rainer Maria Kardinal Woelki zur Fastenzeit. Darin räumte der Erzbischof in deutlichen Worten ein, während seines ganzen Lebens und „in den unterschiedlichsten Zusammenhängen immer wieder auch Fehler gemacht“ zu haben, so Woel­ki. Und das „auch in den Jahren als Erzbischof von Köln. Mal leichter. Mal schwerer. Das trage ich mit mir“, heißt es in dem Hirtenbrief. Auch auf die viel kritisierte Art der Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Erzbistum ging der Kardinal ein. Nach seinen Worten habe er als Mensch und als Bischof Fehler gemacht – und „sicher auch im Rahmen der Aufarbeitung der Missbrauchsvergehen sowie der damit verbundenen Krisenkommunikation. Da habe ich auch Schuld auf mich geladen.“

Zugleich warb Woelki bei den Gläubigen für Verständnis und Vertrauen in den jetzt eingeschlagenen Weg. So soll das erste Missbrauchsgutachten der Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl vorerst weiter unter Verschluss gehalten und das neue Gutachten des Strafrechtlers Björn Gercke dann am 18. März veröffentlicht werden. An die Gläubigen gerichtet, schreibt der Kardinal: „Sie tun sich schwer, nachzuvollziehen, warum es eine zweite unabhängige Untersuchung braucht, um die systemischen Zusammenhänge jahrzehntelangen Missbrauchs in unserem Erzbistum aufzudecken und im Detail aufzuzeigen. Tatsächlich benötige ich als Bischof hinsichtlich aller relevanten Personen eine bestimmte qualitative und quantitative Faktenlage, die ein klares und konsequentes Veränderungshandeln dann auch nachhaltig möglich macht.“

Auch das verschwieg Woelki in seinem Hirtenbrief nicht: dass „tiefe Risse“ durchs Erzbistum gehen und er selbst dem „Verdacht von Vertuschung im Kontext der Aufarbeitung von Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt und pädophilen Verbrechen“ ausgesetzt ist. Von einem gravierenden Vertrauensverlust und Frustration ist darüber hinaus die Rede.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort