Wuppertal Literatur-Biennale in Wuppertal

Wuppertal · Zu diesem Literaturfest kommt auch Thomas Hoever. Thomas Hoever? Kennt keiner. Ihn kann aber auch kein Leser kennen, weil sein Roman über Lilli, das Lebensschicksal eines Mädchens mit Down-Syndrom, trotz euphorischer Expertisen noch keinen Verlag gefunden hat. Auch darum wurde Thomas Hoever aus Emmerich jetzt nach Wuppertal eingeladen, zu einem Fest der Autoren, das sich "Literatur Biennale" nennt. Ein zu pompöser Name, denkt man – aber nur bis zum ersten Blick ins Programm. 42 Seiten ist es dick und listet – neben besagtem Thomas Hoever – Namen wie Herta Müller und Christoph Ransmayr, wie Felicitas Hoppe und John von Düffel, wie Margriet de Moor und Michael Kleeberg so selbstverständlich auf, als habe die Lit.Cologne neuerdings einen bergischen Ableger.

Die Literatur-Biennale ist aber anders als das kölsche Spektakulum: Sie ist das unglaubliche Produkt einer Zusammenarbeit von 23 Wuppertaler Kulturinstitutionen, die sich schnell auf das Motto "Freiheit!" einigten, die dazu Autoren aus Ägypten, Irak und Syrien ins Bergische riefen und den Etat von 100 000 Euro größtenteils über Förderer reinholten. Am 6. Juni wird somit ein Literaturfest für zehn Tage steigen, das fern der Metropolen in der Region geboren wurde.

Mit Freiheit zitieren die Wuppertaler nicht nur eins der wichtigsten Schlagworte vergangener Monate, das mit dem arabischen Frühling neue Vitalität bekam. Wuppertal will sich mit der Biennale selbst über die Freiheit und über seine großen Freiheitskämpfer definieren – wie Friedrich Engels als politischen Rebell, Else Lasker-Schüler als Bürgerschreck und den unnachgiebigen Armin T. Wegner, der in einem Brief an Hitler gegen die Judenverfolgung protestierte und dafür von der Gestapo gefoltert und ins KZ verbracht wurde.

Zur Freiheit gehört die Unfreiheit, und auch dorthin soll die Literatur reichen mit einer Lesung von Felicitas Hoppe in der Justizvollzugsanstalt der Stadt – vor überschaubarer Runde. Denn verständlicherweise ist das eine geschlossene Veranstaltung, die außerhalb der Mauern nur übers Radio mitzuverfolgen sein wird. Von 25 Lesungen kündet das feine Programm, und dabei ist noch nicht einmal von jenen 50 kostenfreien Schullesungen die Rede gewesen, die die Autoren vom Verband deutscher Schriftsteller (VS) fast nebenbei veranstalten. Überdies hoffen die gewitzten Organisatoren noch auf die eine oder anderen Spontanlesung in der City-Kirche, in die das Biennale-Café als Festival-Ruhepol einziehen wird.

Und weil man "Freiheit" hierzulande ohne Bundespräsident Joachim Gauck kaum denken kann, hat man auch diesen eingeladen. Eine Absage liegt noch nicht vor. Vielleicht reizt den früheren Pfarrer ja auch das spirituelle Umfeld in dieser Stadt, in der die Religion als Volkssport gilt.

Info Programm und Karten ab sofort unter www.wuppertaler-literatur-biennale.de; bzw. Tel. 0202 - 563 2957

(RP)
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