Leipzig Leipzig meldet Wachstum des Buchhandels
Leipzig · Buchhandlungen steigerten Umsatz um 0,9 Prozent, der Online-Handel ging um zwei Prozent zurück.
Das Buch hat Pech – weil es sich leicht verpacken und somit prima verschicken lässt. Streng genommen ist darum nicht das Buch der Pechvogel, sondern der sogenannte stationäre Buchhandel, der Laden von nebenan, der sein Geschäft mit Literatur mehr und mehr an seinem Schaufenster vorbeiziehen sieht – mit den Päckchen unter anderem vom Online-Großhändler Amazon. Ein kleines Stimmungsbild kurz vor der Leipziger Buchmesse nur, doch die Prognosen machen daraus einen Trend, den manche als Wende im Buchhandel bezeichnen.
4800 Buchhandlungen hatte vor 15 Jahren noch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels registriert; heute sind es gerade einmal 3500. Dass dem stationären Geschäft mit Büchern keine große Zukunft beschieden wird, deutet auch seine Attraktivität als Ausbildungsstätte an. Zuletzt absolvierten rund 1500 junge Leute eine Lehre zum Buchhändler. Das sind 25 Prozent weniger als noch vor vier Jahren. Wer sich in diesem Untergangsszenario Gehör verschaffen will, muss schon mit fulminanten Prognosen auftreten. Eine davon lautet, dass in absehbarer Zeit der deutsche Buchmarkt 50 Prozent seiner Verkaufsfläche verlieren wird.
Wie gesagt: Das alles markiert noch keine Krise des klassischen Buches; zumal der Anteil von E-Books auch in den kommenden Jahren im unteren einstelligen Prozentbereich bleiben wird. Es geht zunächst bloß um Vertriebswege, was allerdings trockener klingt, als es beim Geschäft rund ums Buch ist. Denn Buchhandlungen sind oft kleine Kultureinrichtungen, die Lesungen veranstalten, Signierstunden und Podiumsgespräche. Solchen Buchhandlungen wird eine größere Lebensdauer attestiert als beispielsweise den hochdimensionierten Verkaufshallen mancher Buchhandelsketten, die schon jetzt an die Auslieferungshalle von Amazon erinnern und nicht recht glaubhaft machen können, warum man dann nicht bequem vom Sofa aus seine Bücher bestellen sollte.
Diese Kassandrarufe stehen im schreienden Gegensatz zum Spektakel der zweitgrößten deutschen Buchmesse, die gestern Abend in Leipzig eröffnet wurde. Alles atmet dabei die frische Luft des Bücherfrühlings: Die Ausstellungsfläche ist von 69 000 auf 84 500 Quadratmeter gewachsen; knapp 2200 Aussteller werden erwartet; zum Bildungsprogramm reisen allein 30 000 Lehrer an, während an den vier Messetagen und in Messenächten in der Stadt 3200 Lesungen mit 3000 Mitwirkenden angesetzt sind. Eine Krisenbranche präsentiert sich anders.
Dennoch wird der Online-Handel noch weiter über seinen Marktanteil von 16,5 Prozent wachsen und das Sortiment – mit 48,3 Prozent immer noch Platzhirsch im Buchhandel – schrumpfen. Größer als der Online-Handel ist übrigens immer noch die Direktvermarktung der Verlage (19,4 Prozent), die von der alten Solidarität zwischen Verleger und Buchhändler nicht mehr allzu viel spüren lässt. Larmoyanz bleibt aber ein schlechter Ratgeber, und so wird den Händlern empfohlen, den Kunden empathisch und fröhlich fürs Buch zu begeistern. Wer das Beschaffungsmonopol verliert, muss das Beratungs- und Informationsmonopol erobern oder verteidigen.
Andere empfehlen, Amazon zu kopieren und auch im Buchladen allerlei Schnickschnack neben dem Gedruckten anzubieten. "Non-Books" heißt diese Sparte, die dem Buchhandel als ökonomische Ergänzungsnahrung dienen soll und vom Spielzeug und Schmuck bis zum Füller und Wein reicht. Doch markiert diese Kehre dann vor allem eine Abkehr vom Buch. Das aber wehrt sich, mit einer überraschenden Pointe: Im Vorfeld der Messe konnte Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, gestern die kleine Sensation verkünden, dass der Buchhandel nach langer Talfahrt 2013 um 0,9 Prozent zulegte, während der Online-Handel über zwei Prozent verlor. So etwas gibt es wahrscheinlich nur in der Buchbranche.