Lakonische Komödie aus Schweden

Roy Andersson bekam für seine bittere Geschichte den Goldenen Löwen.

Sam und Jonathan arbeiten in der Unterhaltungsindustrie. Allerdings in der von vorgestern: Sie ziehen als Vertreter mit schweren braunen Koffern durch die Stadt und verkaufen Scherzartikel - Vampirzähne, Lachsäcke, Gummimasken und andere traurige Produkte. Natürlich läuft das Geschäft nicht so gut. Darum sind die beiden Männer meistens niedergeschlagen - und damit die perfekten Helden für eine dieser skandinavischen Komödien, die ihren Witz aus der Lakonie ihrer Figuren und der Herbheit einer meist spröden Handlung ziehen.

Auch "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" ist auf den ersten Blick eine solche Komödie. Doch die Handlung ist nicht harmlos und der Humor nicht nur lakonisch, sondern bitter, ätzend in seiner Kargheit. Schon die beiden handlungsreisenden Antihelden sind keine Witzfiguren, sondern versehrte Übriggebliebene, Verlierer des Systems. Ihre erfolglosen Verkaufstouren legen eine traurige Spur, auf der die Kamera durch eine Gesellschaft der Entfremdeten reist. Und da begegnen ihr viele skurrile Gestalten, die nicht recht ins Leben zu passen scheinen, dagegen aber nicht aufbegehren, sondern ausharren, apathisch werden oder auf traurige Weise drollig.

Da ist zum Beispiel eine übergewichtige Flamencolehrerin, die sich in den einzigen Schüler ihrer Gruppe verliebt hat, jede Chance auf ein wenig Körperkontakt nutzt, aber nicht auf Gegenliebe stößt. In einer raffinierten Szene beobachtet die Kamera vordergründig eine andere Figur. Im Hintergrund aber spielen sich die entscheidenden Szenen ab: Die Flamencolehrerin trifft in einem Café ihren Schüler. Kein Ton ist zu hören, aber das Drama einer unerwiderten Liebe durch das Fenster des Cafés wie in einem Stummfilm zu sehen.

Dabei inszeniert der schwedische Regisseur Roy Andersson nicht nur Tristesse. In einer Szene schwenkt er kurzerhand ins Genre des Musicalfilms: In einer Seemannskneipe trägt eine Kellnerin Schnaps von Tisch zu Tisch und beginnt zu singen. Bei ihr kann der Gast mit Küssen zahlen, das tun die Seeleute dann auch und stehen bei der hinkenden Lotta Schlange. Doch so beschwingt das daherkommt, die lahme Kellnerin ist eben auch eine Versehrte und die Utopie der zahlungsfreien Kneipe nur ein seltsamer Traum.

Roy Andersson schließt mit der absurden Geschichte über zwei Komikverkäufer, die den Markt nicht verstehen, eine Trilogie über die schwedische Gesellschaft ab, die er bereits 2000 mit "Songs from the Second Floor" begonnen und 2007 mit "Das jüngste Gewitter" fortgesetzt hat. Zuvor hatte Andersson nach kommerziellen Misserfolgen einige Jahre in der Werbebranche gearbeitet. Seine kritische Haltung zur kapitalistischen Gesellschaft scheint das gestärkt zu haben. Gegen die schnellen Schnitte und den oberflächlichen Witz der Unterhaltungsindustrie setzt er seine trägen Bilder von Menschen, die im falschen Leben zurechtzukommen versuchen. Bei den Filmfestspielen von Venedig hat ihm das den Goldenen Löwen eingetragen. Erfolg für einen Film, der die kritische Kraft des Absurden in die Gegenwart übersetzt hat.

(RP)
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