Kuratorengespräch zu Etel Adnan Eine schreibende und malende Weltbürgerin

Sébastien Delot und Philipp Holstein verneigten sich im K20 vor der Künstlerin Etel Adnan. Die Kunstsammlung NRW widmet ihr zurzeit eine umfassende Ausstellung.

Die Künstlerin Etel Adnan.

Die Künstlerin Etel Adnan.

Foto: Kunstsammlung NRW/Galerie Lelong & Co.

Von einer Schriftstellerin, die sich für einen Kurs im handwerklichen Weben anmeldet, darf man annehmen, dass sie um die enge Verbindung zu ihrem Beruf weiß. Noch mehr, wenn sie dazu noch eine Bildkünstlerin ist. Beides trifft zu für Etel Adnan, der im K20 die umfassende Ausstellung „Poesie der Farben“ gewidmet wurde. Im Rahmen des KPMG-Kunstabends fand hierzu ein Gespräch zwischen dem Kurator Sébastien Delot und RP-Redakteur Philipp Holstein statt. Es ging dabei vor allem um die Frage, welche Formensprache sowohl im literarischen wie auch im bildkünstlerischen Werk der 1925 im Libanon geborenen „Weltbürgerin“ zu entdecken ist.

Tatsächlich hat Etel Adnan vor Jahrzehnten das Weben gelernt, auch das Färben. Im arabischen Raum, wo sie als Tochter einer Griechin und eines Syrers aufwuchs, ist die Weberei auch heute noch ein respektiertes Metier. Mit 32 Jahren hat sie dann angefangen zu malen, von Anfang an mit starker Textur: „Ihre Malerei ist Sprache. Ihre Magie sind Zeichen, die einem fremd vorkommen können.“ Das sagte Sébastien Delot, der Etel Adnan vor 20 Jahren kennenlernte und ihr bis zu ihrem Tod 2021 freundschaftlich verbunden blieb. Als ihre meist nur handtaschengroßen Gemälde auf der Documenta 13 großen Anklang fanden, kuratierte Delot für Adnan eine Einzelausstellung im Berner Paul-Klee-Zentrum sowie eine weitere in Luxemburg.

Philipp Holstein lernte die Künstlerin zunächst als Schriftstellerin kennen. Seit er hierüber zu ihrem malerischen Werk fand, ist er vom einen so begeistert wie vom anderen. Im K20 zeigten sich Delot und Holstein gleichermaßen beeindruckt von einer Meisterin der Bild- und Wortallegorien. Als Erklärungsversuch bot sich Adnans polyglotte Herkunft an, mit Griechisch als Muttersprache, einem türkisch sprechenden Vater und als Schülerin eines französischen Lycées. Das Ganze dazu in einer arabischsprachigen Umgebung.

Eines der Bücher Etel Adnans, das auch ins Deutsche übersetzt wurde, trägt den Titel „Reise zum Mount Tamalpais“. Der kalifornische Berg nördlich von San Francisco ist den Amerikanern als Ort bekannt, wo das Mountainbike „erfunden“ wurde. Auf Adnan übte er indes eine spirituelle Faszination aus, die sie mehrfach in Wort-Texturen und Farbkompositionen festhielt. Sébastien Delot glaubt, dass der Berg bei Adnan als Allegorie zu verstehen ist. Philipp Holstein las Auszüge vor, dazu die „Notizen zum Weben.“ In dem schmalen Band, den der Journalist für die literarische Hausapotheke empfiehlt, heißt es: „Wir knüpften Gordische Knoten.“

Bei Etel Adnans Lebensmotto waren sich die Partner des Gesprächs, das überwigend auf Deutsch und Englisch geführt wurde, einig: „Ecrire, c’est dessiner“. Das Schreiben und die Bildkunst bestimmten also gleichermaßen das Leben dieser großen Künstlerin.

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