Düsseldorf Kunstmarkt ist globaler aufgestellt denn je

Düsseldorf · Das schafft wohl nur der Kunstmarkt, eine letztlich schwer berechenbare Diva – und dies sogar in Deutschland: Ein kleines Teekännchen konnte einen mächtigen Ereignisschatten werfen auf das Auktionsterrain des ersten Halbjahres 2013. Denn zum Topseller aller Angebotssparten wurde eine nur 13 Zentimeter hohe Porzellanschönheit aus der Yongzheng-Periode (1723 bis 1735). Die kaiserliche "Doucai"-Kanne schraubte sich im Stuttgarter Auktionshaus Nagel hoch vom 800 000-Euro-Aufruf auf unglaubliche 3,73 Millionen.

Nagel platziert übrigens sechs chinesische Treffer – klassische Objekte vom Buddha, übers Lackkabinett bis zur Pilgerflasche – in die Top 15. Nimmt man das beim Kölner Lempertz, allerdings weit unter den Erwartungen, ersteigerte (1,09 Millionen) Werk des derzeit teuersten chinesischen Gegenwartskünstlers Zeng Fanzhi hinzu, der 2008 in Hongkong bei Christie's noch 6,8 Millionen erreichte, darf man von einem chinesisch dominierten Halbzeitergebnis sprechen.

Bedeutet das zugleich Zurückhaltung deutscher Kunstmarkteinkäufer? Auf seine überwiegend süddeutschen Sammler und Deutschlands unkaputtbare expressionistische Blue Chips konnte sich das Münchner Haus Ketterer verlassen, wie Berlins Villa Grisebach auch. Dort allerdings mit eher mäßigen Ergebnissen. Ketterer indes, vor dem Hintergrund der ersten gemeinsamen (mit Neumeister und Karl & Faber) Münchner Auktionswoche und einem wohl spürbarem Synergieeffekt, geriet wohl in Champagnerlaune. Ein doppelseitig bemaltes Werk Ernst Ludwig Kirchners zeigt spielende Mädchen mit einer Katze (1907), dies in den gestrichelten Wirbeln des Spätimpressionismus, also nicht im Kunstmarkt-süchtigen Brücke-Stil. Auf der Rückseite konnte die Ketterer-Offerte mit einem spätwerkigen Paar in einer Art neusachlich-expressionistischer Handschrift Kirchners (1927) aufwarten.

Weshalb gerade dieser Bildträger doppelt beglückt wurde? Die Experten wissen es auch nicht. Allerdings bescherte das Ergebnis von 1,74 Millionen Euro (in die Schweiz verkauft) dem ersten Halbjahr das höchst dotierte Gemälde.

Das Fazit liest sich wie gewohnt: Deutscher Expressionismus gefällt den Deutschen. Was auch dazu beitrug, Ketterer mit 19,6 Millionen Gesamtumsatz (Steigerung von sechs Millionen zum Vorjahr) das bislang beste Halbjahr in der Geschichte des Hauses zu bescheren. Im 2013er Halbjahres-Umsatzvergleich: Lempertz/Köln 22 Millionen, Villa Grisebach/Berlin 19,9 Millionen, Van Ham/Köln 12 Millionen, Nagel/Stuttgart 26 Millionen.

Mathias Rastorfer, als mitinhabender Geschäftsführer der Zürcher Galerie Gmurzynska Global Player für die Spitzenkunst des 20. und 21. Jahrhunderts, blickt im Gespräch über den deutschen Kunstmarktrand. Rastorfer erklärt: "Die Kluft zwischen Connaisseuren, Sammlern und Investoren hat sich weiter auseinander bewegt. Investmen-t Käufe von oftmals wenig kunstorientierten Käufern konzentrieren sich auf wenige Namen zu immer astronomischeren Preisen. Sammler der oberen und mittleren Käuferschicht sind am rarsten geworden und deren Markt ist am schwierigsten. Connaisseure, die mit hohem Kenntnisstand kunstgeschichtlich wichtige Werke suchen, haben es heute am besten und sind wieder zahlreicher am Markt. Dank der großen Unsicherheiten an den Finanzmärkten ist der Kunstmarkt sehr liquide und globaler aufgestellt denn je zuvor."

(RP)
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