Premiere in Coburg Wirbel um Hitler-Theaterstück: Giordano kritisiert Achternbusch

Berlin (RPO). Wer sich künstlerisch mit Adolf Hitler beschäftigt, kommt meist an einer Diskussionn nicht vorbei. Erst recht nicht, wenn es sich um den Autor Herbert Achternbusch handelt, der schon in den vergangenen Jahrzehnten den Zuschauern nie leicht machte. Am Samstag feiert in Coburg seine Hilter-Groteske "Der Weltmeister" Premiere.

Hitler - theatralisch grotesk
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Und schon im Vorfeld sorgt das Stück für Diskussionen. Der Schriftsteller Ralph Giordano kritisierte in einem Interview das Achternbusch-Stück: "Ich habe den historischen Hitler am eigenen Leib kennen gelernt, und der eignet sich nicht dazu, verblödet zu werden." Dagegen pochten Abgeordnete von SPD und Grünen im bayerischen Landtag auf die Kunstfreiheit. Der Regisseur des Stücks, Gunther Möllmann, erhofft sich von der Aufführung eine lebhafte Debatte.

In "Der Weltmeister" lässt Achternbusch in der heutigen Zeit Hitler bei einer bayerischen Familie aufkreuzen. Er wird als inkontinenter, furzender Mann dargestellt, der Angst vor Insekten hat, die Araber hasst und gern vernichtet sähe und selbst nach Israel auswandern will.

Giordano sagte über das Stück: "Ich halte nichts davon, nicht das Geringste, nicht das Schwarze unter dem Fingernagel." Der Schriftsteller sieht dabei einen "antagonistischen Widerspruch" zum historischen Hitler. Mit "solchen Blödeleien" könne er nichts anfangen. "Mehr noch: Ich bin strikt dagegen", sagte der 84 Jahre alte Holocaust-Überlebende und fügte hinzu: "Und dann noch von Achternbusch. Da erinnere ich mich an andere Sachen, die er zu Hitler gemacht hat, die mir übel aufgestoßen sind."

"Man darf karikieren"

Das bedeute nicht, dass man die Nazi-Zeit nicht auch karikieren könne. Giordano verwies auf Filme wie "Das Leben ist schön" und "Zug des Lebens" sowie das Buch "Jakob der Lügner" von Jurek Becker.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag, Maria Scharfenberg, sagte, die Freiheit, Hitler zu parodieren, müsse es schon geben. Die Parodie sei schon immer ein Mittel gewesen, "die Herrschenden zu begreifen, sich ihrer Herrschaftslogik nicht zu unterwerfen und sie der Machtinsignien zu entkleiden". Deswegen seien Parodien anstößig. Nun setze sich die Kunst mit dem "anstößigsten Ereignis der letzten Jahrhunderte" auseinander. Der SPD-Kulturexperte Peter Hufe betonte, Hitler sei eine "Figur der Geschichte" und auch für die Kunst nicht tabu.

Regisseur Möllmann sagte mit Blick auf die Premiere am Samstag: "Ich wünsche mir, dass hinterher eine Diskussion entsteht und es nicht sofort vom Publikum ad acta gelegt wird." Möllmann räumte ein, auch er habe bei der Lektüre des Textes "natürlich" geschluckt, "was da drinnen steht".

"Stammtisch-Schwachsinn"

Die Hitler-Groteske sei ein "Super-Stück", wenn auch mit einigen "Knackpunkten". In dem Text steckten einige "Hämmer" wie die Äußerungen Hitlers zur Judenvernichtung und zum Islam. Diese Aussagen seien jedoch "der Schwachsinn, der über allen Stammtischen irgendwie wabert".

Mit der Aufführung möchte der 57-jährige Regisseur "Hitler dahin zurückbringen, wo er herkommt: in die Familie". Es gehe ihm darum zu zeigen, "dass Hitler nicht vom Himmel gefallen ist", sondern dass Dumpfheit und falsches Verständnis zu einer fast schon groupiehaften Verehrung geführt hätten, die heutzutage bei Neonazis immer noch existiere.

Achternbusch wollte mit seinem Stück nach eigenen Angaben "keine Neuauflage von Hitlers Leben machen", sondern zeigen, "wieso der Mann so viel Macht bekommen hat". Hitlers Erfolg beruhe nicht nur auf "teuflischen Apparaturen", sondern er habe auch die Gefühle der Menschen erreicht, sagte der 68-Jährige kürzlich.

(afp)
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