Eine Milliarde Dollar Umsatz Wahre Rekordflut auf dem Kunstmarkt

New York · Olympische Spiele und Fußball-Europameisterschaft mögen noch kommen, doch die meisten Rekorde hat das Jahr schon gesehen: Der Kunstmarkt ist in diesem Mai von Höchstpreis zu Höchstpreis gehastet und hat kaum eine Bestmarke unangetastet gelassen. Christies und Sothebys haben mit Hunderten Millionen hantiert, bei denen selbst Spitzenfußballclubs wie FC Barcelona und Chelsea London schwindlig werden würde. Dabei ist der Kunstmarkt eine einzige große Abseitsregel: Viele verstehen ihn nicht, aber er ist da und überaus einflussreich.

"Der Schrei" war nur die Spitze eines Milliardeneisbergs, wenn auch eine dramatische. Mit dem expressionistischen Meisterwerk wurde zum ersten Mal in der Kunstgeschichte ein Bild für mehr als 100 Millionen Euro zugeschlagen. 107 Millionen waren es sogar, mit dem üblichen Aufgeld - in dieser Preisklasse satte zwölf Prozent - kostete das Bild 120 Millionen Dollar. Er könne dem Käufer nur gratulieren, sagte Sothebys-Chefauktionator, der Deutsche Tobias Meyer. ""Der Schrei" ist jeden Penny wert."

Hätte der neue Besitzer tatsächlich in Cent-Stücken gezahlt, könnten bei Sothebys 20.000 (!) Sprinter-Kleinlaster voll mit Pennys vorfahren. Doch während in Internetforen noch über den Deal geschimpft wurde ("unsozial"), gab es weitere Rekorde. Bei Christies waren es am Dienstagabend gleich 14. Darunter auch der für das teuerste Kunstwerk zeitgenössischer Malerei, das je versteigert wurde. Mit 86,3 Millionen Dollar schlug Mark Rothkos Bild "Orange, Red, Yellow" das 2008 versteigerte "Triptych, 1976" von Francis Bacon - um gerade einmal 300.000 Dollar.

Roy Lichtenstein, Gerhard Richter, Cy Twombly, Alexander Calder heißen nur ein paar der Künstler, für die neue Höchstmarken gesetzt wurden. Und Christies meldete mit 388,5 Millionen sogar für eine ganze Auktion einen Rekord: Nie sei mehr an einem Abend für zeitgenössische Kunst ausgegeben worden. Gehofft hatten so etwas in der Branche viele, erwartet nur wenige. Denn der Kunstmarkt gilt als unberechenbar. Überraschungen sind immer drin - nach oben wie nach unten.

Dass in diesem Frühjahr gleich mehrere besondere Sammlungen aufgelöst wurden, ist nur ein Teil der Erklärung. Faszinierend ist aber, dass überhaupt so viel Geld im Markt ist, dass allein die beiden großen Auktionshäuser in New York innerhalb von einer Woche deutlich mehr als eine Milliarde Dollar mit Kunst umsetzen konnten.

"Der Kunstmarkt ist von der übrigen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt", erklärt Chefauktionator Meyer den Umstand, dass oft in Sekunden zig Millionen den Besitzer wechseln. "Die Sammler haben das Geld und warten oft nur auf eine passende Gelegenheit." Denn genau das Gegenteil sei die größte Angst: Eine Gelegenheit zu verpassen. "Solch ein Bild wie "Der Schrei" wird es vielleicht nie wieder zu kaufen geben. Deshalb ist auf dem Kunstmarkt alles möglich."

Bleibt nur noch die Frage, wer da eigentlich kauft. Als Christies seine Rekorde meldete, stand bei acht von zehn Käufern "Anonymous" - bei den beiden übrigen das wenig aussagekräftigere "European Private" und "US Private". Angeblich sollen Sammler im Nahen Osten ihren Reichtum gerade in Kunst investieren, inklusive des "Schreis" und der "Kartenspieler" von Paul Cézanne. Dafür sollen unglaubliche 250 Millionen geflossen sein, aber das ist nach wie vor unbestätigt.

Ungewiss ist auch, ob die Käufer eine Sammlung aufbauen oder einfach nur auf Wertvermehrung spekulieren. Das allerdings ist ein Pokerspiel, weil nur wenige Bilder eine sichere Anlage sind. Der Kunstmarkt ist eben unberechenbar.

(dpa)
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