Vang-Gogh-Museum in Amsterdam Frische Farbe für Van Gogh

Amsterdam · In Amsterdam präsentiert sich die bedeutendste Sammlung mit Werken des beliebtesten Malers der Welt in neuem Design.

Neues Gemälde von Vincent van Gogh entdeckt
7 Bilder

Neues Gemälde von Vincent van Gogh entdeckt

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Bislang herrschte im Amsterdamer Van-Gogh-Museum Tag für Tag Staugefahr. Alle Besucher drängten sich in die erste Etage und versperrten dort Nachfolgenden den Blick auf die stolzesten Schätze des Hauses. Das hat sich geändert. Die bekanntesten Bilder des, wie Umfragen ergaben, beliebtesten Malers der Welt sind seit kurzem annähernd gleichmäßig auf die vier Etagen verteilt und markieren dort jeweils das Zentrum einer thematischen Abteilung. Und siehe da: Tatsächlich gehört das Gedränge der Vergangenheit an, die Besucher können sich nun in Ruhe sattsehen. Jährlich sind es rund 1,5 Millionen, fast so viele wie nebenan im Rijksmuseum.

Damit sich auch außerhalb des Hauses keine Schlangen mehr bilden, wird zurzeit dem Anbau für Wechselausstellungen eine neue, gläserne Eingangshalle angefügt. Sie soll im Juli nächsten Jahres ihre erste Bewährungsprobe bestehen und in den Anbau jene strömen lassen, die sich schon jetzt auf die angekündigte Ausstellung über van Gogh und Munch freuen.

Bis dahin und vermutlich auch darüber hinaus ist das Hauptgebäude mit seiner Neupräsentation von van Goghs Werken die eigentliche Attraktion. Wo bislang weiße Wände die Kulisse der Gemälde bildeten, ist nun Farbe eingezogen. Vor allem im Erdgeschoss wirkt das recht verwegen. Eine der Wände ist mit einer riesigen Tapete beklebt, die Details aus van Goghs Selbstbildnis mit grauem Filzhut wiedergibt: die ins Gigantische gesteigerte Augenpartie vor allem. Davor hängen winzig mehrere Selbstporträts.

Die Einstimmung auf die Hauptperson der neuen Dauerausstellung verbindet sich auf niederländischen und englischsprachigen Schrifttafeln mit dem Hinweis, dass dem Künstler die Selbstbildnisse nicht als Mittel der Selbstdarstellung galten, sondern dass es ihm allein um die Kraft der Farben, um Ausdruck ging. Das berühmte "Selbstporträt als Maler" von 1887/88 setzt hier den ersten eindrucksvollen Akzent. In einer Vitrine lassen sich van Goghs Palette und vier Farbtuben begutachten. Schon in dieser ersten Abteilung trifft man auf Leinwände, die van Gogh auf Vorder- und Rückseite bemalt hat. So trägt ein hochformatiges Porträt auf der Rückseite ein als Querformat angelegtes "Stillleben mit Flaschen und Irdenware".

Im ersten Stock gruppiert sich alles um van Goghs Gemälde "Die Kartoffelesser" von 1885: jene berühmte düstere Komposition, die eine Familie beim kargen Mahl zeigt. Die "Kartoffelesser", so hatte van Gogh es sich vorgenommen, sollten seine Visitenkarte werden - und sie wurden es zumindest für jene Periode, von der die erste Etage erzählt und in der es ihm darum ging, idealisierend das Leben auf dem Lande darzustellen. Am Landleben, das er rund um den niederländischen Ort Nuenen kennenlernte, schätzte der Künstler die Nähe zur Natur, zum Zyklus von Leben und Tod.

Neben van Goghs Gemälde "Vogelnester" erinnern zwei echte Nester seltener Vögel daran, wie sehr dem Maler daran gelegen war, die Natur zu erfassen. Jungen aus dem Ort gab er immer ein wenig Geld, wenn sie ihm die Vorlagen für seine Gemälde von Feldern und aus Wäldern mitbrachten. Auf derselben Etage verweisen Bilder unter anderem von Jean-Francois Millet darauf, woran sich van Gogh stilistisch orientierte.

Daran schließt sich ein Saal an, der van Goghs Zeit in Paris belegt. 1886 lernte er dort die Avantgarde kennen. Bilder unter anderem von Pissarro, Monet und Toulouse-Lautrec hängen in einer Reihe mit Werken des Niederländers, darunter seine Ansichten von Montmartre.

Die Säle mit den Bildern, die er im südfranzösischen Arles malte, erweisen sich als Gipfel des Rundgangs. In der Mitte hängt die museumseigene Version der Sonnenblumen-Bilder - bewacht von einer Aufsicht, die das Gemälde allenfalls für Sekunden unbeobachtet lässt. Schließlich beläuft sich der Wert Experten zufolge auf mindestens 50 Millionen Euro. Mehr noch: Auf der Rückseite der Stellwand fällt der Blick auf das kaum weniger berühmte "Schlafzimmer".

Treppauf gelangt man in eine Abteilung, in der sich etliche der rund 820 Briefe finden, die Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo adressierte - Briefe, die als Schlüssel zum Verständnis der van Goghschen Kunst gelten. Per Kopfhörer kann man sich diese Texte vorlesen lassen und stellt beim Blick auf die Kopien an den Wänden fest, dass der Maler seinen Eltern auf Niederländisch schrieb, seinem Bruder aber auf Französisch. Auf derselben Etage trifft man auf das Gemälde "Das gelbe Haus", jenes in kräftiger Farbe gemalte Domizil, das er für zwei Monate mit Gauguin teilte, bis es zum Zerwürfnis kam. Ob van Gogh sich sein linkes Ohr selbst abschnitt oder Gauguin daran beteiligt war, ist bis heute ungeklärt.

Die dritte und höchste Etage vermittelt das Spätwerk: die mit nervösem Strich gemalten Zypressenbilder; Bilder, die van Gogh im Garten der Nervenheilanstalt von Saint-Rémy malte. Noch kurz vor seinem Tod entstanden in 70 Tagen 75 Gemälde. Ringsum hängen nicht nur Werke, die ihn beeinflusst hatten, sondern auch solche von Künstlern, die sich ihrerseits auf ihn berufen, Francis Bacon zum Beispiel. In seinem auf einem Bild van Goghs beruhenden Großformat "Study for a Portrait of van Gogh VI" von 1957 zeigt er den Maler als schwarze, ausfransende, Rätsel aufgebende Figur in einem roten Farbdschungel.

Am 27. Juli 1890 schoss sich Vincent van Gogh eine Kugel in die Brust - oder in den Bauch, so genau weiß man das nicht. Zwei Tage später starb er. Ob es Selbstmord war oder ein Unfall - auch das zählt zu den Rätseln, die Leben und Werk des stets mittellosen Künstlers umgaben. Für einen der ausgestellten Briefe, den er an seinen ihn zeitlebens unterstützenden Bruder schrieb, hatte er nur mit Mühe Geld für eine Briefmarke auftreiben können.

(RP)
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