Halbzeitbilanz Ruhr 2010 ringt um die Zukunft

Duisburg (RP). Halbzeitbilanz bei Ruhr 2010: 4,8 Millionen Besucher konnte die Kulturhauptstadt bisher in die Region locken, damit steuert das Ruhrgebiet einen Besucherrekord an. Neue Strukturen will man auch nach 2010 nutzen, doch ist unklar, wer das Erbe der Kulturhauptstadt verwalten wird.

Gesichter des Ruhrgebiets
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Zur Halbzeit gibt man sich zünftig: Die Chefs der Kulturhauptstadt nehmen an Biertischen Platz, an jenen ungepolsterten Klappmodellen, die am 18. Juli auf der A 40 stehen werden. Man will schon mal werben für eines der nächsten Kulturhauptstadt-Großereignisse — das Volksfest, das ansteht, wenn die wichtigste Autobahn durchs Ruhrgebiet für einen Tag gesperrt wird.

Doch eigentlich haben die 2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt und Fritz Pleitgen in die Duisburger Mercatorhalle geladen, um Erfolgszahlen zu verkünden: 4,8 Millionen Besucher haben im ersten Halbjahr die Kulturhauptstadt besucht, 15 Prozent davon kamen aus dem Ausland. Bleibt die Auslastung so gut, dann könnte das Ruhrgebiet in der Besuchergunst erfolgreichster Vertreter der 25-jährigen Kulturhauptstadt-Geschichte werden. Bisher liegt Liverpool mit 9,7 Millionen Gästen im Jahr 2008 noch vorn. Ruhr 2010 aber setzt ohnehin auf Kultur für die Breite, der "Day of Song" hat bereits Tausende Menschen begeistert, die A 40-Sperrung dürfte den nächsten großen Schwupp in die Besucherstatistik spülen.

Positive Zahlen also, trotzdem halten sich die Ruhr-2010-Chefs nicht allzu lange mit den Erhebungen auf. Lieber schaut man nach vorn auf Festivals wie "Theater der Welt", eine Lesereihe, zu der Günter Grass und Richard Dawkins erwartet werden, oder auf die Fertigstellung des Fördertums der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen, der von einer 18 Meter hohen Herkulesskulptur aus dem Atelier Markus Lüpertz gekrönt wird.

Und dann gibt es da auch noch atmosphärischen Klärungsbedarf. War doch im Ruhrgebiet kurz vor der großen Halbzeitbilanz in der vergangenen Woche eine Debatte darüber entbrannt, wie es nach 2010 weitergehen soll. Auch eine Personalie hatte für Spekulationen gesorgt. Schließlich gibt es einen Kopf hinter der Kulturhauptstadt, Essens früheren Kulturdezernenten Oliver Scheytt. Den wähnte mancher nun auf Posten-Pirsch, sah ihn gar als Mann der Kultur in die nächste NRW-Landesregierung einziehen.

"Ich bin nicht auf Jobsuche", sagt Scheytt dazu schlicht. Seine Aufgabe sei die Kulturhauptstadt, und was danach aus ihm werde, sei seine "Privatsache". Eine Basta-Ansage. Die lässt allerdings umso interessanter werden, was die Geschäftsführer über die Zukunft der Kulturhauptstadt zu verkünden haben. Die EU lege Wert auf die langfristige Wirkung ihrer Kulturhauptstädte, sagt Fritz Pleitgen, natürlich wolle man nicht "die Kapelle auf der Titanic" sein. Das 2010-Team ist darum dabei, seine Erfahrungen in ein Empfehlungspapier zu verwandeln, das im Herbst erst einmal den Stadtoberhäuptern der 53 Kommunen des Ruhrgebiets vorgelegt werde. Die Zusammenarbeit zwischen den Städten liefe hervorragend, betonen die 2010-Chefs immer wieder, diesen neuen Willen zur Kooperation will man unbedingt erhalten. Dass dies in Form eines neuen Super-Kulturdezernats für das Ruhrgebiet geschehen könnte, nennt Pleitgen erneut "utopisch". Oliver Scheytt spricht allerdings davon, dass die Kulturhauptstadt die einzige Plattform sei, auf der Wirtschaft, Kommunen, Land, Bund und EU zusammenarbeiteten. Da habe man Kompetenzen entwickelt, die man weiter nutzen sollte.

Die Kulturdezernenten der Region halten allerdings jegliche Form einer neuen Verwaltungsebene für die Kulturförderung im Ruhrgebiet für überflüssig.

"Wir wollen, dass Geld in die Kultur fließt, nicht in deren Verwaltung", sagt etwa Bochums Kulturdezernent Michael Townsend. Die Kooperation zwischen den Städten könne über die Zusammenarbeit der Kulturdezernenten sichergestellt werden. Die träfen sich schließlich regelmäßig etwa beim Regionalverband Ruhr oder beim Deutschen Städtetag. "Die Kommunen können zum Beispiel im Bereich Marketing sehr voneinander profitieren", so Townsend, auch müsse man sich darauf verständigen, welche Strukturen in Zukunft besonders gefördert werden müssten, um international mithalten zu können. "Aber jede Stadt hat auch über Jahre spezifische Kulturinstitutionen aufgebaut und muss darauf stolz sein dürfen. Das hat mit Leuchtturmmentalität nichts zu tun."

(RP)
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