Dichter vor 125 Jahren geboren Ringelnatz — Verse in Schieflage

Düsseldorf (RP). Vor 125 Jahren wurde Joachim Ringelnatz geboren. Er war Dichter, Kabarettist und noch viel mehr. Büchermenschen kann er auf komische Gedanken bringen – weshalb besonders junge Leser vor der Lektüre seiner Verse gewarnt werden sollten. Eine kleine Stichproben-Provokation.

Schnurrige Ringelnatz-Reime
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Foto: ddp

Düsseldorf (RP). Vor 125 Jahren wurde Joachim Ringelnatz geboren. Er war Dichter, Kabarettist und noch viel mehr. Büchermenschen kann er auf komische Gedanken bringen — weshalb besonders junge Leser vor der Lektüre seiner Verse gewarnt werden sollten. Eine kleine Stichproben-Provokation.

Bevor es jetzt richtig losgeht mit dem Herrn Ringelnatz, will besagter Herr Ringelnatz selbst das Wort ergreifen. Gewähren wir ihm also bei der Einleitung den Vortritt:

"Viel passiert zu allen Zeiten

In der Welt der Kleinigkeiten.

Stimmt bald ernst und

stimmt bald heiter. —

So, nun blätt're, bitte, weiter."

So schnell geht das bei Joachim Ringelnatz, dass man kaum nachzufragen wagt, wer uns diese Verse fröhlich um die Ohren haut. Kein Wunder, denn wer will schon verbreitet wissen, dass er 1883 in Wurzen (irgendwo bei Leipzig) geboren ist und eigentlich Hans Bötticher heißt. Ringelnatz nennen die Seemänner nur das Seepferdchen, und weil es das absolute Lieblingstier des Dichters war, wurde es auch sein Namensgeber. Jedenfalls fischte Bötticher fortan als Ringelnatz gern in trüben Gewässern unserer Nation, als sie den Weltkrieg Nummer eins bereits hinter und den Weltkrieg Nummer zwei vor sich hatte.

Ein Bürgerschreck fürwahr, und für die Erziehung unseres Lese- und Rentenzahler-Nachwuchses gänzlich untauglich. Denn in seinem "Kinder-Verwirr-Buch" widmet sich Ringelnatz folgenden Themen mit nachfolgenden Versen:

Zum Lesen:

"Das ABC ist äußerst wichtig.

Im Telefonbuch steht es richtig."

Zur Biologie:

"Der Klapperstorch hat

krumme Beine.

Die Kinder werfen ihn mit Steine.

Aber Kinder bringt er keine."

Zur Geografie:

"Der Spanier lebt in fernen Zonen

Für die, die weitab davon

wohnen."

Die Wirtschaft:

"Die Guh gibt Milch und stammt

aus Leipzig.

Wer zuviel Milch trinkt,

der bekneipt sich."

Und schließlich die Familie:

"Kinder, ihr müßt euch mehr

zutrauen!

Ihr laßt euch von Erwachsenen

belügen

Und schlagen. — Denkt mal:

Fünf Kinder genügen,

Um eine Großmama

zu verhauen."

Starker Tobak, denken jetzt nicht nur (aber vor allem) die Großmamas. Denen wird ohnehin das Unstete im Dichter missfallen. Selbst eine moderne Job-Agentur dürfte Ringelnatz um den Verstand gebracht haben mit seinen 35 Jobs und Nebenjobs — Buchhalter, Zeitungsverkäufer, Schlangenbeschwörer, Plakatmaler, Rezitator, Schiffsjunge, er war so genanntes Mädchen für alles im Seemannsheim und Matrose bei der Marine.

Kreuz und quer und kunterbunt: Sein Leben ist Spiegel seiner Dichtkunst, und der Seemann Kuttel Daddeldu wird in Moritaten sein trunkenes, wankendes Alter Ego. Wenn die Welt keinen Halt unter den Füßen bietet, dann beginnen selbst Liebesverse mächtig zu schwanken — wie in dem "Gedicht in Bi-Sprache" von 1928:

"Ibich habibebi dibich,

Lobittebi, sobi liebib.

Habist aubich dubi mibich

Liebib? Neibin, vebirgibib.

Nabih obidebir febirn,

Gobitt seibi dibir gubit.

Meibin Hebirz habit gebirn

Abin dibir gebirubiht."

Arme Lotte!, kann man da nur sagen, und man darf dreimal raten, warum der Bebiziehbiung, sorry: Beziehung, kein Glück beschert war. Aber vielleicht ergeht es dem Leser anders, dem hier die Kostproben des dichtenden Seepferdchens nur deshalb als Warnung vorgesetzt wurden, weil seit Beginn der Menschheit nichts reizvoller ist als ein ordentliches Verbot.

Und bevor jetzt alle meckern, kommt zum Schluss — Herrgott ja — auch noch der "Bumerang" von 1927. Der Leser wird schon lesen, was er davon hat:

"War einmal ein Bumerang;

War ein weniges zu lang.

Bumerang flog ein Stück,

Aber kam nicht mehr zurück.

Publikum — noch stundenlang —

Wartete auf Bumerang."

(RP)
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