Gastbeitrag von Wilfried Korfmacher PS: Ich liebe mich

Düsseldorf · Die Ästhetik der Geschwindigkeit, Schnelligkeit zum Anschauen: Düsseldorf bringt Sportwagen ins Museum. Wie schön!

Ein ganz normaler Tag auf der Königsallee: goldglänzender Lamborghini bei der Parkplatzsuche.

Ein ganz normaler Tag auf der Königsallee: goldglänzender Lamborghini bei der Parkplatzsuche.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Willkommen in Düsseldorf. Mit der großartigen Autoschau im Kunstpalast werden der neue Generaldirektor Felix Krämer und die Kuratoren, Design-Expertin Barbara Til, und Werbeguru Dieter Castenow, den Zeitgeist der selbstverliebten Rheinmetropole treffen – und zwar mitten ins Herz. Touché!

PS: Ich liebe Dich.

So lautet der Titel der Ausstellung. Et voilà: Die Haute Couture der Pferdestärken lässt nichts zu wünschen übrig. Das hochverehrte Publikum wird verwöhnt mit 20 erlesenen Exemplaren automobiler Schönheiten aus einer Epoche, in der Autodesigner noch wirkliche Blechschneidermeister waren, die ihr Handwerk zu höchster handwerklicher Kunst erhoben hatten – und darüber hinaus.

PS: Ich liebe mich.

Am besten kehrt man die Zielrichtung der Aussage einfach um. Und schon kommt man dem Grund der Begeisterung schnell auf die Schliche. Das Wort Auto stammt ja aus dem Griechischen und heißt nichts anderes als: selbst. Und so wird sich der sprichwörtliche Narzissmus der Düsseldorfer und aller hedonistischen Touristen, die es wenigstens für einen Tag sein dürfen, ganz wunderbar in den glänzenden Karosserien der eleganten Exponate spiegeln.

Werfen wir einen Blick auf die Königsallee, kommerzielle Hauptschlagader unserer lebenslustigen Landeshauptstadt. Momentan verkommt der elegante Parcours für die feinen Flaneure von Moskau bis Dubai auf der asphaltierten Mittelspur zunehmend zum prolligen Parcours für schleichende Schleudern mit Kennzeichen von Bottrop bis Castrop-Rauxel.

Aber so ist das halt im Dorf an der Düssel. Darum leben wir hier. Und darum lieben wir uns und unsere Gäste aus nah und fern. Immer schon war die Kö ein Lifestyle-Thermometer, präziser Gradmesser für die Stimmungen und Strömungen in der kleinsten deutschen Großstadt – aber auch für globale gesellschaftliche Trends, die in diesem Open-Air-Labor des Luxus und der Moden getestet und gesetzt werden. The Roadshow must go on!

Brillant, wie Werbepapst Michael Schirner in einem der zahlreichen Merian-Hefte über „Dazzledorf“ (Werbewunderwaffe Charles Wilp) das selbstreferenzielle System des Neureichtums am Beispiel der Kö beschrieb: mit den großen Banken auf der einen und den teuren Boutiquen auf der anderen Seite des Grabens in der Mitte der Prachtstraße – und der hemmungslose Kreisverkehr des schnellen Geldes inmitten der City. Kohle ohne Krise. Öl ohne Ende. Energie wie nie.

Das war noch in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern so. In jener Ära also, aus der auch die wunderschönen Sportwagen stammen, die jetzt im Ehrenhof präsentiert werden. Doch das ist heute anders. Nach dem Golfkrieg. Nach 9/11. Und nach den Pleiten von Lehmann, IKB, etc. pp.

Die Bankhäuser verschwanden auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wichen die Einzelhandelsgeschäfte den Flagshipstores der internationalen Fashion Brands. Dafür schieben sich jetzt die Menschenmassen zwischen den Straßencafés auf den Bürgersteigen und bestaunen die hochgezüchteten Supersportwagen mit ihren ohrenbetäubend aufgemotzten Motoren, die entlang der Parkplätze beiderseits der Einkaufsmeile paradieren.

„Ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.“ So sah das der italienische Autofetischist Filippo Tommaso Marinetti in seinem Futuristischen Manifest schon im Jahr 1909 kommen. Heute, über 100 Jahre später, erleben wir den endgültigen Abgesang auf eine solch präpotente Verherrlichung der Technik.

Auto ist out. Man muss nur hinhören, was einem die Zauberworte sagen. Schon schallt die Wahrheit heraus. Und jetzt ist es soweit. Das Ende ist nah. Die Städte verstopft. Kein „Fahr´n Fahr´n Fahr´n“ auf der Stautobahn. Die autofreie Königsallee wird diskutiert. Und vielleicht schon ganz bald exekutiert.

Kein Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, mehr, der 1848 über die damalige Kastanienallee der Residenzstadt ritt – um sich dortselbst von seinen unbotmäßigen Untertanen mit Pferdeäpfeln bewerfen lassen zu müssen. Und dem „Hauptherd der Anarchie und Unordnung für die Rheinprovinz“ empört den Rücken kehrte. Auch wenn zu seiner Besänftigung die Stadtverwaltung von Napoleons „Petit Paris“ dem revolutioären Boulevard dann seinen royalen Namen gab, den er bis heute trägt.

Keine Kutschen auf der Kö? Oh no! Nicht einmal Prince Harry wird dann hier als mondäner Herrenreiter reüssieren können. E-chauffierte er seine Meghan zur Hochzeit doch in einem wundersamen Wedding Car, das als ultimatives Symbol für die Zeitenwende steht.

Wirklich wahr: Der Jaguar E-Type, „das schönste jemals gebaute Auto“ – so urteilte zumindest neidlos selbst Enzo Ferrari über den phantastischen britischen Phallus – wird jetzt von Werk aus komplett auf elektrischen Antrieb umgerüstet. Damit wir uns recht verstehen: Die Raubkatze wird nicht gänzlich neu aufgelegt. Nur echte „Vintager“, also originale Karossen „aus der Zeit“ werden für den Umbau zum „Concept E“ von Knurren auf Schnurren umgestellt. Das Kennzeichen E für das legendäre Dienstfahrzeug von Jerry Cotton kam also nicht von ungefähr.

Die Königsallee ohne Pferdestärken? Eine Fußgängerzone wie alle anderen? Käme das nicht einer Kastration dieser Magistrale gleich, die neben Oper und Schauspielhaus als eine der großen Düsseldorfer Bühnen gelten darf? Nur dass sie eben immer mitten im Leben stand. Und da gehörte anfangs das Pferd und dann für gut hundert Jahre das Auto selbstverständlich dazu.

Apropos und zurück zum Stück. Auf der Bühne im Kunstpalast wird nun der finale Akt des Dramas aufgeführt, das Ferdinand Anton Porsche in seinem berühmtesten Diktum auf den Punkt brachte: „Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein.“

Was er nicht sagte, aber natürlich wusste: Der letzte Sportwagen, er wird nicht mehr fahren. Er wird stehen, in einem Museum, und zwar nicht in irgendeinem: sondern – nomen est omen – dem Kunstpalast. Noblesse oblige.

Feiern wir also die Ästhetik des benzingetriebenen Kraftfahrzeugs und den schönen Schein der Schnelligkeit. Berauschen wir uns an den formvollendeten Design-Ikonen der Moderne.

Speed at its best. Still Life. Willkommen in Düsseldorf. PS: Ich liebe mich.

Info Die Ausstellung „PS: Ich liebe Dich. Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre“ ist ab Donnerstag bis zum 7. Februar 2019 im Museum Kunstpalast zu erleben.

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