Berliner Museumsinsel Nofretetes neues Heim

Berlin (RP). Der Londoner Architekt David Chipperfield baut das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel wieder auf - mit Elementen der Moderne. Dagegen richtet sich heftiger Protest. Jetzt wurde Richtfest gefeiert.

 Die Treppe im Neuen Museum.

Die Treppe im Neuen Museum.

Foto: AP, AP

Diese Treppe ist eine Wucht. Ihr heller marmorierter Beton führt mitten hinein ins Neue Museum in Berlin. Mit klarer Kante zum verspielten Vestibül, den schwarzweißen Säulen auf der ersten Etage und der Ziegelwand der hohen Treppenhalle ist sie selbst eine gewaltige Skulptur. Dieser Ort verströmt das monumentale Flair einer Kathedrale.

"Hier war vor zehn Jahren nichts, nur ein großes Loch", sagt David Chipperfield. Das Büro des Londoner Architekten baut das Werk von Friedrich August Stüler - 1859 auf der Museumsinsel eröffnet und im Zweiten Weltkrieg in großen Teilen zerstört - wieder auf. In zwei Jahren sollen die ägyptischen und die frühgeschichtlichen Sammlungen einziehen.

Chipperfield stopft die Löcher nach seinen Vorstellungen. Für detailgetreue Kopien ist er nicht zu gewinnen. Sein Prinzip: Alles, was von Stüler übrig ist, wird erhalten. Doch das Zerstörte ist unwiederbringlich verloren. Diese Orte sprechen künftig eine "moderne Architektursprache". So soll das Historische eingefangen und ins Hier und Jetzt geholt werden. "Wir erschaffen aus dem Alten heraus ein neues Gebäude", sagt Chipperfield. Und wer etwas Neues errichtet, darf auch ein schmuckes Richtfest feiern. Gestern war es so weit.

Bis Montag dürfen die Berliner die Baustelle zwischen Lustgarten und Pergamonmuseum besichtigen. Doch Chipperfield warnt sie vor Irritationen: "Einiges, was fertig scheint, ist noch lange nicht fertig - und umgekehrt." Und er mahnt sie: "Noch ist kein endgültiges Urteil möglich, erst in zwei Jahren lässt sich das Gebäude als Ganzes begreifen."

Doch es gibt einige Ecken, die manches erahnen lassen. Beispielsweise im Apollosaal. Schlichte blanke Betonwände, stellenweise glänzend poliert, umgeben eine Apsis in roter Farbe mit Fresken im Gewölbe. Der Kontrast innerhalb eines Raums könnte kaum größer sein. Die Moderne umrahmt die Historie. Auf dem Sockel in der Apsis wird wohl die Büste der Nofretete Platz finden. An exponierter Stelle, wie es sich Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wünscht.

Der Niobidensaal, den Chipperfields Team gut erhalten vorfand, verrät, wie die Prinzipien des Architekten umgesetzt werden. Die rote Farbe an den Wänden ist teilweise abgeblättert. Die Löcher werden geschlossen, doch es bleiben Flecken an der Wand. Neues hebt sich von Altem ab. Farblich werden die Malereien aus dem 19. Jahrhundert ergänzt, jedoch nicht bildlich. So bleiben die Fresken an der Decke des Saals unangetastet und gegebenenfalls als Fragmente erhalten. Lehmann spricht deshalb von "historischer Ehrlichkeit".

Rund 230 Millionen Euro steckt der Bund in den Wiederaufbau des Neuen Museums. Es gehört zum historisch gewachsenen Ensemble auf der Berliner Museumsinsel, die im Dezember 1999 in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco eingetragen wurde. Ein Meisterstück, das nach Ansicht einer Bürgerinitiative durch Chipperfields Wiederaufbau beschädigt wird. Betontreppe, -wände und -decken sind für die Kritiker, die seit Jahren für eine Rekonstruktion des Museums im spätklassizistischen Stil kämpfen, eine Provokation. Zum Richtfest fahren sie scharfe Geschütze auf, sprechen von einer "Hinrichtung der historischen Architektur Stülers", bevor sie noch eine höhere Stufe der Polemik erklimmen: Chipperfields Werk sei die Fortsetzung des britischen Bombenangriffs von 1943 mit anderen Mitteln.

Doch die Bürgerinitiative weiß auch, dass ihr Protest vergebens ist. Schließlich bedeutet ein Richtfest, dass der Bau unumkehrbar seiner Vollendung entgegengeht. Die Eröffnung ist im Herbst 2009 - 150 Jahre nach der Fertigstellung des alten Neuen Museums.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort