Festspiele Neuenfels endlich in Bayreuth

(RP). Hans Neuenfels, 1941 in Krefeld geboren und einer der Großregisseure der Moderne, inszeniert erstmals bei den Bayreuther Festspielen. Premiere von "Lohengrin" ist am Sonntag. Offenbar werden Ratten auf der Bühne sein.

 Opernregisseur Hans Neuenfels inszeniert jetzt in Köln García Lorcas Stück „Bernarda Albas Haus“.

Opernregisseur Hans Neuenfels inszeniert jetzt in Köln García Lorcas Stück „Bernarda Albas Haus“.

Foto: ddp

Bayreuth Vor ein paar Jahren noch hat Hans Neuenfels im Interview gesagt: "Nach Bayreuth? Da komm ich doch nie hin!" Er saß mal im Zuschauerraum, aber dass er dort selbst inszenieren würde, galt als undenkbar. Vor drei Jahren sagte Neuenfels unserer Zeitung wörtlich: "Der Chef von Bayreuth hat einmal gesagt, dass er Peter Konwitschny und mich ablehnt. Ich weiß meinerseits nicht, ob meine Nerven Bayreuth jetzt überhaupt noch aushalten würden." Jetzt ist er schon seit Wochen da, hat es überlebt und freut sich vermutlich königlich.

Dabei war die Ahnung unlogisch, Bayreuth würde ihn nicht bitten. Der Grüne Hügel unter Wolfgang Wagner, dem vor vier Monaten verstorbenen Patriarchen der Wagner-Festspiele, hat immer offenen Auges mit dem Skandal paktiert. Schon Neu-Bayreuth nach dem Krieg mit der kahlen "Ring"-Scheibe war ein Affront, weil sie Bilder verweigerten; Chéreaus "Ring" war noch einer, weil er die Tetralogie zeitgeschichtlich sortierte. Kupfers "Holländer", Heiner Müllers "Tristan", Schlingensiefs "Parsifal" — das waren Aufreger. Aber Skandale? Bayreuth selbst hat am Verfall des Skandalhaften stark mitgewirkt.

Neuenfels, 1941 in Krefeld geboren und einer der Großregisseure der Branche, ist indes bis heute verdächtig geblieben — weil er manchmal genial ist, manchmal überwitzig. Immer aber zeigt er Bilder, die die Welt umhauen. Seine Frankfurter "Aida" war ein Schlüsselabend für das Regietheater, bei dem ägyptische Helden Anzug von heute trugen. Seine Stuttgarter "Meistersinger" spielte grandios mit dem Phänomen der Verführbarkeit der Masse. Sein Berliner "Idomeneo" musste unter Polizeischutz aufgeführt werden, weil dort die Köpfe von Propheten abgehauen wurden, auch derjenige Mohammeds.

Mit Neuenfels wird also zu rechnen sein, wenn er jetzt die Bayreuther Festspiele am 25. Juli mit "Lohengrin" eröffnet. Der Titelheld ist für ihn kein "Heilsbringer". Aber er soll eine festgefahrene Situation in einer Gesellschaft voller Streit, Hass und Missgunst lösen, "ein irrer Auftrag mit viel Utopie", wie der Regisseur jetzt im Interview erklärte. Bei ihm spielt sich das Ganze "in einer Art Laboratorium" ab, "in einer Versuchsanordnung mit Tieren, Ratten, die sich vermenschlichen wollen". Am Ende, so hört man, wird sich Lohengrin verirren.

Es ist bei Neuenfels üblich, dass er Dinge von außen in eine Oper hineinerfindet, die dort scheinbar nichts zu suchen haben. Diese Aspekte einer Setzung haben oft einen verstörend definitorischen Charakter, und man muss sich sehr auf sie einlassen. Wenn das gelingt in dem Sinne, dass Idee des Stücks und Idee des Regisseurs eine neue Kongruenz eingehen, dann gewinnen solche Abende beim Betrachter eine Sogkraft, die ungeheuerlich ist.

Das gelang ihm vor einiger Zeit mit einem furchterregend einfallsreichen "Tannhäuser" in Essen und zuvor, im Schauspiel, bei Lorcas "Bernarda Albas Haus" in Köln. Neuenfels inszenierte dieses schwarze Stück mit einer subtilen Ironie, die man kaum für möglich gehalten hatte. Das Haus war Hühnerhof und Beichtkapelle, es herrschten gottgefällige Trauer und höllischer Zickenalarm, der alle erfasste — Töchter, Mütter, Großmütter, Mägde, Tanten. Es war ein einziges Gewese um das Prinzip Mann. Und der neue Mann der Bernarda war der Gekreuzigte persönlich, sie war die Braut Christi. Buhgebrüll in Köln? Nein, einhelliger Jubel.

Neuenfels hat natürlich ein loses Mundwerk, aus dem viel Gescheites, aber auch Ätzendes kommt — so seine Meinung über die Zukunft Bayreuths: "Wenn die neue Festspielleitung mit den Schwestern Eva und Katharina Wagner nicht gleichzeitig die Chance zum Übergang in eine neue Zukunft ist, dann ist die Ära Bayreuth zu Ende. Da müssen alle Beteiligten jetzt ihren produktiven Beitrag leisten, sonst ist es reine Stagnation, das fände ich absolut öde, und da würde ich auch nicht mehr mitmachen wollen."

(RP)
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