Nachruf auf Claes Oldenburg Der „Großpapa der Pop-Art“ ist tot

New York · Er war einer der radikalsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Jetzt ist Claes Oldenburg an seinem Wohnsitz in New York im Alter von 93 Jahren gestorben.

Claes Oldenburg:  Fotos aus dem Leben des Pop-Art-Künstlers
7 Bilder

Aus dem Leben des Pop-Art-Künstlers Claes Oldenburg

7 Bilder
Foto: picture alliance/dpa/Horst Galuschka/DPA

Claes Oldenburg ist tot. Mit Andy Warhol und Roy Lichtenstein zählte er zu den größten Vertretern der Pop-Art. Der Erfinder riesiger Kunststoff-Würstchen und weicher Schreibmaschinen war am Montag im Alter von 93 Jahren gestorben. Zuletzt habe er sich in seinem Studio im Stadtteil SoHo von einem Sturz erholt, wie Arne Glimcher von der Pace Galerie meldete. Er war einer der radikalsten Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen Einfluss auf die Kunstwelt in Werken von Erwin Wurm, Jeff Koons und Franz West weiterlebt. „Ich bin halt der Großpapa der Pop-Art“, pflegte er zu sagen.

Oldenburg wurde 1929 in Stockholm geboren, wuchs in den USA auf und wurde amerikanischer Staatsbürger. Er studierte in Yale und versuchte sich als Reporter beim City News Bureau in Chicago, besuchte Abendkurse am Art Institute of Chicago und illustrierte für Magazine. Seit 1953 experimentierte er mit Pappmaché und Gips. „Sausage“ hieß die erste seiner „Soft Sculptures“ aus Stoff, die er mit Zeitungspapier oder Lumpen und Kleidungsfetzen stopfte. 1965 begann er, mit dem Maßstab zu hantieren, kleine Dinge zu vergrößern, Hartes aufzuweichen.

Berühmt wurde er mit bedeutungslosen Dingen wie Hot Dogs und Tortenstücken, mit Eisbechern, Muffins und Kirschkuchen, anfangs alles aus Kaninchendraht, Gips und Lackfarbe. Konsumkultur im XXL-Format. Vieles wirkte bewusst unbeholfen in seiner wabbeligen Körperlichkeit. An der Nähmaschine saß seine erste Frau Patty Mucha. Seinen ersten ausfahrbaren Lippenstift stellte er auf Panzerketten vor dem Rektorat der Yale Universität ab. Antikriegsslogan: Make Love not war.

Seit seinem Job als Reporter liebte er das Zeitungspapier und stabilisierte es mit einer Paste aus Weizen und Draht. Er sammelte alte Pappen, Papiere und Holzreste, um sie mit Leinwand oder Kapok zu ummanteln, zu bepinseln und zu besprayen. „Street“ nannte er das erste Ergebnis. Es sah nicht nach Kunst aus, war nach seinen eigenen Worten „stumpf und plump und süß und blöd wie das Leben selbst.“ 1969 feierte ihn das Museum of Modern Art in New York mit einer großen Ausstellung.

Der Siegeszug durch die Museen in Amerika und Europa begann. Doch der untypische Pop-Künstler spielte auch gern den eigenen Museumschef, sammelte, klebte und bastelte an seinem Werk-Ensemble „Mouse Museum“, mit dem er 1965 begonnen hatte und an dem er noch 2016 in wechselnden Variationen arbeitete, bevor er im letzten Jahr die letzte Fassung dem Kölner Museum Ludwig schenkte – dem Hort der Pop-Art in Europa.

Um 1970 hielt er sich mehrmals in Düsseldorf und Krefeld auf. Ein Amerikaner aus Schweden, der die schockende Großspurigkeit avantgardistischer Provos mied. Er kam aus begüterten Verhältnissen, der Vater war schwedischer Botschafter, die Mutter Opernsängerin. Der Sohn hatte englische Literatur studiert und liebte Lyrik. Ein feiner Kerl, lang, schlank und schon als 40-Jähriger mit krausem, schütterem Haar.

Seine spontanen Zeichnungen und Aquarelle geben viel von seinem Denken preis. Er besaß jene Heiterkeit und Geistigkeit, die einen Künstler verrät, für den Kunst und Poesie zusammengehören. Er liebte es, wenn die Kunstgänger zufällig seine schlaffen und schlappen Objekte berührten und erschrecken. Vieles wirkte zusammengesackt und aus der Form geraten. Ein „Faulender Apfelkitsch“, ein handgemachtes Häschen oder ein „heruntergefallener Schalldämpfer“ bevölkerten in den 1980er Jahren das Krefelder Haus Esters.

Er gab sich wie ein Lausbube, im Kleinen wie im Großen. Mit seiner zweiten Frau und Kollaborateurin Coosje an Bruggen, die er 1976 heiratete, realisierte er über 40 große, öffentliche Projekte weltweit. Dazu gehören die zwölf Meter hohe Spitzhacke für die Documenta 1982 am Fulda-Ufer und die flatterhafte Groß-Krawatte „Inverted Collar and Tie“, die die Büromenschen im Tower persiflieren. Der Gartenschlauch bildet noch immer den Hingucker im Freiburger Eschholzpark. Zeitweilig standen sein „Houseball“ aus faserverstärkten Kunstoffen und Edelstahl in Bonn und seine Zahnpasta-Tube im Lantz'schen Park, während seine Zahnbürste im Park der Krefelder Museen die Zeiten überdauert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort