Spezialist für Museumsbau David Chipperfield — Architekt des Minimalismus

Düsseldorf · Der 60-jährige Brite gilt international als Spezialist für Museumsbau. Dabei würde er gern häufiger auch mal etwas anderes machen.

 Die Turner Contemporary Gallery: Auch ein Museum, das Chipperfield kreiert hat.

Die Turner Contemporary Gallery: Auch ein Museum, das Chipperfield kreiert hat.

Foto: Gareth Fuller

Der Deutsch-Amerikaner Helmut Jahn hat vom Flughafen in Bangkok bis zum Sony-Center in Berlin vieles gebaut, wovon andere Architekten nur träumen. Auf die Frage, wie ihm der Düsseldorfer Medienhafen gefalle, sagte er einmal gut gelaunt: "Für mich ist das eine Party." Die "Gäste", die dort dicht gedrängt am Wasser stehen, sind Bauten der weltweit bekanntesten Architekten. Jahn ist mit seinem Hochhaus "Sign!" dabei, sein jüngerer britischer Kollege David Chipperfield schlürft seinen Cocktail unweit der Gehry-Bauten mit Steven Holl aus den USA und dem einstigen Gemeinschaftsbüro Ingenhoven, Overdiek + Partner aus Düsseldorf. Die drei Gebäude schließen sich eng mit einem ehemaligen Lagergebäude zusammen.

Zwischen der Architektur des Medienhafens, die hier und da das Extravagante streift, schlägt Chipperfield mit seinem schlichten, an Industriebauten erinnernden Hochhaus durch die Wahl der Formen und Materialien einen Bogen zur ursprünglichen Bestimmung des Ortes. Das Gebäude Kaistraße 16 ist wie Chipperfields übrige Bauten in Europa dem Minimalismus verpflichtet: Die Form folgt der Funktion, und überall scheint der Bauhaus-Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886—1969) den Briten zu beflügeln.

Chipperfield hat sich vor allem als Museumsarchitekt einen Namen gemacht. Dabei könnte er sich gut vorstellen, auch mal einen Flughafen zu entwerfen, wie er ironisch bekannte. Doch seine vielbeachteten Museumsentwürfe haben immer wieder neue Aufträge in dieser Sparte nach sich gezogen. Jetzt hat man ihn erwählt, das Münchner Haus der Kunst, eine Gründung der Nationalsozialisten, zu sanieren. Ein Ding der Unmöglichkeit, ein Angriff auf die Moral? In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" entgegnete Chipperfield jüngst auf entsprechende Fragen: "Es gibt einen Spruch: Egal, was vorher war, es sind immer noch Steine und Holz." Chipperfield will das Gebäude aus dessen Vergangenheit lösen und dafür sorgen, dass es sich nicht mehr wie bisher im Stadtbild versteckt: "Die wichtigen Fragen zielen nun alle darauf, ob die Camouflage heute noch notwendig ist und ob das Gebäude nicht wieder eine Rolle in der Stadt spielen darf."

Mit diesem Kunstgriff hat Chipperfield bereits Erfahrung. Denn auch in Essen hat er ein Museum zur Stadt gewendet. Als er im Auftrag des inzwischen verstorbenen Großindustriellen Berthold Beitz einen 55 Millionen Euro teuren Neubau des Museums Folkwang entwarf, legte er den Eingang anders als beim abgeschotteten Vorgängerbau an eine vielbefahrene, stadteinwärts führende Straße. Der im Inneren nahezu türenlose Bau, dessen Ausstellungsräume allesamt auf einer Ebene liegen, ist ebenso schlicht wie das Haus im Medienhafen, sogar ein wenig "altmodisch", wie der Architekt selbst anmerkte. Denn es enthält keine beweglichen, auch keine schrägen Wände wie etwa das von Zaha Hadid in Rom erbaute neue Kunstmuseum, und die Architektur lässt keinen Zweifel daran, dass nicht sie, sondern die Kunst den Mittelpunkt bildet.

Bevor Chipperfield im vorigen Jahr mit dem japanischen "Praemium Imperiale" dekoriert wurde, dem in mehreren Sparten vergebenen "Nobelpreis der Künste", bekam er für sein international meistbeachtetes Projekt, den Wiederaufbau des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel, zwei Preise: den Mies van der Rohe Award for European Architecture und den Deutschen Architekturpreis. Auf der Museumsinsel führte er einen durch den Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Museumsbau aus dem 19. Jahrhundert in die heutige Zeit. In Anlehnung an die ursprünglichen Volumina und Raumfolgen errichtete er das Bauwerk neu, restaurierte die erhaltenen Teile und ergänzte, wo etwas unwiederbringlich verloren war. So ist das neue, minimalistische Treppenhaus des Museums inzwischen zu dessen Wahrzeichen geworden.

Ein weiteres Vorhaben Chipperfields auf der Museumsinsel ist noch eine Baustelle: die James-Simon-Galerie, der innerhalb eines Masterplans entworfene künftige Eingang der Insel. Eine archäologische Promenade soll das Gebäude unterirdisch mit den Museen verbinden und so die Besuchermassen lenken. Neben der Infrastruktur eines modernen Museumsbetriebs sollen Räume für Wechselausstellungen entstehen und die historischen Gebäude entlasten.

Auch mit dem Literaturmuseum der Moderne in Marbach und dessen Säulenhalle hatte Chipperfield wie schon mit dem Neuen Museum an die deutsche Seele gerührt. Die Zeitschrift "Architektur & Wohnen" fasst seinen Stil so zusammen: "Sein Architekturdialekt setzt vor allem auf traditionellen Satzbau mit den Elementen Raum, Licht und Material" — und nennt als Paradebeispiel das Neue Museum.

Chipperfield hat am Londoner Kingston Technical Institute studiert, doch das war nicht sein eigentlicher Weg zur Architektur. Als Sohn eines Farmers hatte er in seiner Jugend dem Vater dabei geholfen, einige Gebäude des Bauernhofs in Ferienwohnungen umzubauen. Das klappte so gut, dass er früh wusste, was er werden wollte. Nach dem Abschluss des Studiums 1977 arbeitete er im gemeinsamen Büro von Richard Rogers und Norman Foster, anschließend gründete er das Unternehmen David Chipperfield Architects mit Büros in London, Berlin und Mailand sowie einer Repräsentanz in Shanghai.

Das klingt nach viel Arbeit und Geld, doch hat Chipperfield zweierlei nicht verloren: seine Ideale und sein Lachen.

(RP)
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