Interview Margarethe von Trotta „Ich kenne mich mit Frauen einfach besser aus“

Interview | Düsseldorf/Berlin · Die 81 Jahre alte Regisseurin widmet sich in ihrem neuen Film Ingeborg Bachmann. Sie erzählt, was sie mit der Dichterin verbindet. Und warum sie meint, dass deren Liebe zu Max Frisch scheitern musste.

Margarethe von Trotta bei der Berlinale.

Margarethe von Trotta bei der Berlinale.

Foto: AFP/STEFANIE LOOS

Es hat 40 Jahre gedauert, bis Margarethe von Trotta in den Wettbewerb der Berlinale zurückkehrt. 1983 präsentierte sie ihren Film „Heller Wahn“ mit Hanna Schygulla und Angela Winkler in Berlin, nun schickt die 81-Jährige ihre Produktion „Ingeborg Bachmann — Reise in die Wüste“ ins Rennen um die Bären. Die in Düsseldorf aufgewachsene von Trotta erzählt darin von der schwierigen Liebesbeziehung zwischen Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) und Max Frisch (Ronald Zehrfeld) und ergreift Partei für Bachmann. Am Mittag nach der Weltpremiere, bei der auch ihr früherer Ehemann Volker Schlöndorff anwesend war, sitzt von Trotta im Scandic Hotel am Potsdamer Platz. Sie trägt schwere tropfenförmige Perlenohrringe und ansonsten Schwarz. Sie wirkt guter Dinge.

Frau von Trotta, Sie kannten Ingeborg Bachmann persönlich, oder?

Margarethe von Trotta Ich habe sie einmal getroffen, bei dem Komponisten Hans Werner Henze in Rom. Überraschend. Volker Schlöndorff und ich sind hingefahren, um Henze zu besuchen, mit dem wir befreundet waren. Und plötzlich saß sie da.

Wann war das?

Von Trotta 1972, ein Jahr vor ihrem Tod. Sie war schon ziemlich reduziert, hatte ich den Eindruck. Ohne dass ich wusste, dass sie krank war oder diese Geschichte mit Frisch hatte und Pillen nahm. Das war damals auch nicht so publik. Man wusste ja dann auch nicht genau, woran sie gestorben ist. Feuertod, na klar, aber warum? Sie hatte so viele Pillen genommen, dass die Nerven unsensibel geworden waren, und sie hat gar nicht gemerkt, dass sie im Bett verbrannte. Es gibt ein Porträt von Peter Hamm, für das er Bachmann lange nach ihrem Tod nachgereist ist. Er hat dafür auch mit ihrem behandelnden Arzt gesprochen. Und der sagte, man habe ihr nicht helfen können, weil man nicht wusste, was das für ein Zeug gewesen ist, das sie eingenommen hatte. Und, das sagt er auch, er hatte das Gefühl, sie wollte nicht mehr leben.

Warum widmen Sie Ingeborg Bachmann überhaupt einen Film?

Von Trotta Es gab ein Angebot, das zu machen. Die Schweizer Koproduzentin hatte die Idee dazu.

Wann haben Sie entschieden, dass Vicky Krieps die Titelrolle spielen soll?

Von Trotta Das wusste ich von Anfang an. Ich hatte sie in „Der seidene Faden“ gesehen, wo sie mich umgeworfen hat. Da war sie noch eine Entdeckung, mittlerweile weiß man ja, was sie kann und was sie ist. Ich wollte sie, weil sie die Intelligenz hat, sie aber nicht vor sich herträgt. Und dazu diese unglaubliche Feinfühligkeit: Man glaubt ihr, dass sie abstürzen kann, dass sie aber auch die Kraft hat, sich wieder herauszubewegen.

Vor Kurzem ist der Briefwechsel Bachmanns mit Max Frisch unter dem vielsagenden Titel „Wir haben es nicht gut gemacht“ erschienen. Haben Sie ihn vorab einsehen können?

Von Trotta Ich wusste, dass er kommt. Und ich habe versucht, ihn zu bekommen. Aber obwohl der Neffe von Ingeborg Bachmann und die Nachfolger von Max Frisch meine Fürsprecher waren, wollte der Suhrkamp-Verlag das nicht.

Haben Sie ihn inzwischen gelesen?

Von Trotta Noch nicht. Ich bin so wütend, dass ich ihn nicht bekommen habe. Und was soll ich ihn lesen; da kann ich nur finden, dass ich etwas falsch gemacht habe, und das will ich gar nicht wissen. (lacht)

Oder alles richtig.

Von Trotta Nein, im Ernst, ich habe einen Freund, der war lange Lektor bei Suhrkamp. Dem habe ich das Drehbuch gegeben, weil er die Briefe bereits gelesen hatte. Und ich habe ihn gebeten, zu schauen, ob ich einen gewaltigen Fehler gemacht habe. Aber er sagte: Alles in Ordnung.

Haben Sie eigentlich Verständnis für Max Frisch?

Von Trotta Ich bin überhaupt nicht nur auf der Seite von Ingeborg Bachmann. Ich glaube, ein Mann seiner Zeit und seines Kalibers und seiner Art zu schreiben konnte ihre Stimmungen nicht nachempfinden. Er konnte mit dieser Frau nicht fertig werden. Ich weise nicht ihm die ganze Schuld zu. Mich fasziniert, dass eine Frau, die so frei und unabhängig sein will, dass sie nicht geheiratet werden möchte, so tief in das Leid hineinfällt, wenn er sie verlässt. Und nie wieder gesund wird. Ihre Familie hat lange behauptet, dass die nicht überwundene Enttäuschung über die Trennung verhinderte, dass sie wieder gesund wurde.

Sie kannten auch Max Frisch, oder?

Von Trotta Ich überhaupt nicht. Volker Schlöndorff kannte ihn gut, sie haben zusammen den „Homo Faber“ verfilmt, und Frisch hat ihm seinen Jaguar-Oldtimer geschenkt. Deswegen war ich sehr erfreut, als der Volker nach der Premiere zu mir kam und sagte: Ronald Zehrfeld ist Max Frisch, er ist es!

Sie haben einst mit Volker Schlöndorff ebenfalls eine Künstlerbeziehung geführt.

Von Trotta Dass ich mir genau diese vier Jahre im Leben Ingeborg Bachmanns ausgesucht habe, hat sicher auch mit meinem Verhältnis zu Volker Schlöndorff zu tun. Da ist vieles so gelaufen, wie bei uns auch. Es ist nun mal so, dass Männer gewisse Dinge bei Frauen nicht verstehen.

Warum ist das Interesse an diesem Paar so lange nach den Ereignissen wieder so hoch?

Von Trotta Bei mir war es immer hoch. An Bachmann als Schriftstellerin, an Frisch als Schriftsteller. An der Beziehung der beiden? Vielleicht weil es eine unglückliche Liebesgeschichte ist.

Nach Hannah Arendt, Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen erzählen Sie erneut das Leben einer besonderen Frau.

Von Trotta Als ich anfing, war ich eine der wenigen Frauen, die überhaupt Filme machen konnten. Und da habe ich mich schon dafür verantwortlich gefühlt, dass ich eine Stimme für Frauen bin, die diese Möglichkeit nicht haben. Irgendwann hat es sich bei mir festgesetzt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mit meiner Mutter aufgewachsen bin, ohne männliche Präsenz. Ich kenne mich einfach mit Frauen besser aus.

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