Kunstsammlung NRW in Düsseldorf Erwacht aus dem Dornröschenschlaf

Düsseldorf · Mit freiem Eintritt und einer neuen Präsentation der Sammlung will die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf junge Menschen ins K 21 locken.

 Installation von Katharina Fritsch im nun wieder geöffneten K 21.

Installation von Katharina Fritsch im nun wieder geöffneten K 21.

Foto: Achim Kukulies/Kunstsammlung NRW

Still ist es im K 21, dem Zweitwohnsitz der Kunstsammlung NRW. Viel zu still. Immerhin so still, dass findige Stadtplaner im Frühsommer auf die Idee kamen, das 2002 zum Museum umgewidmete Ständehaus aus dem Jahr 1880 in Frage zu stellen. Ein Haus der Geschichte des Landes könne man sich gut dort vorstellen, verbreiteten die Projektentwickler in Stadt und Land. Einzelne Politiker wurden aktiv, nur mit der Direktorin hatte niemand gesprochen.

Susanne Gaensheimer, seit einem Jahr Chefin des renommierten Museums, ist das alles ein Dorn im Auge. Die Stille am Schwanenspiegel – und das unerhörte Vorgehen gegen ihre Institution sowieso. In zwölf Monaten hat sie geackert. Buchstäblich alle Register gezogen um diese impulsgebende Wiedereröffnung vorzubereiten, die man am Donnerstag erleben konnte. Baulich, strukturell und personell hat sie das K 21 neu betont, wichtig gemacht. Sie spricht von Wiederbelebung.

Mit freiem Eintritt auf einer Besucheretage schafft sie Zonen ohne Schwellenangst, dort gibt es jetzt einen ganz in Rot getauchten Salon mit WLAN und hoher Aufenthaltsqualität. Die Ateliers der Museumspädagogik und das fein hergerichtete Archiv der legendären Sammlung Fischer liegen vis-à-vis. Die Rundgänge auf den Emporen, von denen die Ausstellungsräumen abzweigen, wirken frisch, bieten Platz auf Ledersofas und Lesestoff an den Wänden.

Kunstsammlung NRW - K20
12 Bilder

Kunstsammlung NRW - K20

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Das K 21 ist ein Ort für die Kunst des 21. Jahrhunderts, für Brandaktuelles außerdem, Ungewöhnliches, Schräges, Lautes. „Ein bisschen Punk braucht ein Museum“, sagt die Direktorin gern, die ihrem Team digitale Marketing-Offensiven verordnet hat. Wie sich der Besucher die Kunst unserer Zeit erschließen muss, so muss er eben auch das Haus entdecken.

Vier mitunter verwinkelte Stockwerke sind es am Ende inklusive Souterrain. Man sieht, dass die Neugier die Menschen über die Distanzen treibt. Scharen von jungen Besuchern strömen täglich in Saracenos Netzinstallation unter die Glaskuppel, um dort abzuhängen. Die Arbeit ist ein Publikumsknüller, der dem Haus schließlich doch noch gute Zahlen bescherte.

Nicht nur dieses zwar riesige, aber behäbige Ausstellungshaus hat Zukunftsängste. In Zeiten von Berlin-Sog auf der einen und digitaler Revolution auf der anderen Seite müssen Museumschefs neu denken, wollen sie nicht in zehn Jahren ohne Besucher dastehen. Gaensheimer hat darauf reagiert, hat Fenster geöffnet und Wände eingerissen, um dem Dornröschenschlaf ein Ende zu bereiten.

Das neue K 21 bietet sinnliche Sensationen. Beim Eintritt zur vollen Stunde fühlt man sich in eine Kathedrale versetzt dank Orgelmusik. Bachs berühmte Toccata D-Dur donnert im Namen der Kunst durch den gespenstisch leeren Innenraum, der den Besucher so gar nicht warmherzig empfängt. Etwa zehn Minuten lang ist man gefangen vom himmlischen Sound, der mit dem Handy in einer New Yorker Kirche aufgenommen wurde. Schnell macht man dazu die mehr als 20 Überwachungsspiegel aus, die wie ein zeitgeistiges Zitat die Wände ornamental überziehen.

Die Musik und die Kameras verweisen auf die Spuren der Künstlerin Lutz Bacher, die erstmalig in einem deutschen Museum gastiert. Das Testat des Unheimlichen durchzieht ihre drei Ausstellungsräume wie ein Seismograf der Gegenwart. Es ist Donald Trumps Signatur, unendlich verlängert und aneinander gefügt. Die präsidiale Partitur von Macht und Ohnmacht.

Kunstsammlung NRW - K21
12 Bilder

Kunstsammlung NRW - K21

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Dazwischen sind verschiedene autonome Werke der US-Künstlerin zu einer Gesamtinstallation vereint. Stroh soll die Holzwolle am Boden bedeuten, mit der auch die Billigschlafanzughosen ausgestopft sind, die wie Torsi dastehen. Sprüche wie „Go big or go home“ („Werde groß oder geh’ nach Hause“) sind aufgedruckt, ein hässliches Amerika wird in dieser Sprachlandschaft mit Video und Musik vorgeführt. Die Künstlerin, die unendlich viele Follower und Reaktionen im Netz hat, hält sich verborgen: falscher Name, falsches Geschlecht, keine persönlichen Angaben, keine Deutungshinweise.

Unbedingt ansehen sollte man sich die Sammlungsräume, in denen Gaensheimer nicht nur die kostbare internationale Sammlung spiegelt, sondern auch den bedeutenden Düsseldorfer Künstlern eine Bühne bietet. Ein Thomas-Schütte- und ein Thomas-Ruff-Raum sind darunter, einer für Hans-Peter Feldmann und ein anderer für Katharina Fritsch mit ihrer monumentalen Installation „Mann und Maus“. Am glücklichsten dürfte neben der Direktorin fast Reinhard Mucha sein, dessen riesige Installation „Das Deutschlandgerät“ saniert wurde und nun erneut die Kraft entfalten kann, die sie einst als Beitrag der Biennale von Venedig hatte.

Nach dem Rundgang in diesem zukunftsweisenden Fantasialand fühlt man sich satt, obwohl man sich an Kunst nicht sattsehen kann. Sie ist immer noch die naheliegende Folie der Fantasie, bleibt darin dem Digitalen überlegen. Unbedingt hingehen ins K 21 – so lautet die Empfehlung.

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