Düsseldorf Auf der Jagd nach verschollener Kunst

Düsseldorf · Angefangen hat er als Gemäldereiniger, heute bietet er Nachforschungen rund um die Kunst an: Der Düsseldorfer Peter Zachmyc hat für seine Auftraggeber schon manches Rätsel gelöst und manches Gemälde zu Geld gemacht.

 Kunstdetektiv Peter Zachmyc ermittelt für seine Auftraggeber im Gebiet der Kunst.

Kunstdetektiv Peter Zachmyc ermittelt für seine Auftraggeber im Gebiet der Kunst.

Foto: Andreas Endermann

"Der Kunstdetektiv" - das klingt nach Einzelgänger und Abenteurer, doch in Wirklichkeit ist der Düsseldorfer Peter Zachmyc nicht allein. Um die Wünsche seiner Kundschaft zu erfüllen, beschäftigt er ein Team von 15 Spezialisten. Nur zwei davon sind angestellt, die Übrigen arbeiten gegen Erfolgshonorar auf den Feldern Kunstgeschichte, Recht, Elektronische Datenverarbeitung, Medien, Kontaktpflege zu Museumsleuten, Auktionatoren und Sammlern sowie Gemäldereinigung. Der wichtigste Mitarbeiter des Kunstdetektivs allerdings arbeitet gratis. Er heißt Kommissar Zufall.

Ohne Kommissar Zufall - diese Erfahrung hat Zachmyc in den 13 Jahren seiner Tätigkeit als Kunst-Dienstleister gemacht - gehen die Dinge nicht voran. Kommissar Zufall ist offenbar erfreulich häufig zur Stelle, so dass sich eins zum anderen fügt und am Ende eine Erkenntnis steht, die ein Gemälde erst verkäuflich macht und damit alle vorangegangenen Anstrengungen rechtfertigt.

Der Fall, dass die Anstrengungen der Suche nach einem verschollenen Gemälde gelten, ist Zachmyc zufolge die Ausnahme. Meistens kommt der Kunde mit einem Bild in den Laden und will wissen, wer es gemalt hat, was es wert ist und ob es dafür tatsächlich einen Markt gibt.

Der Kunstdetektiv hat zu allem, was er schildert, ein Beispiel parat. Da kam also eines Tages ein alter Herr zu ihm mit der Bitte, er möge eines seiner Bilder zu Geld machen, damit er davon eine Weltreise zu Schiff finanzieren kann. In solchen Fällen fragt der Kunstdetektiv zuerst: Woher stammt das Bild? Geerbt? Gekauft? Von wem? Dann untersucht er das Werk. Es stellt ein Schäfermädchen dar, das auf einem Baumstamm sitzend Schafe hütet. Eine Signatur war zunächst nicht erkennbar. Als der alte Herr sich davon hatte überzeugen lassen, dass man um eine Reinigung des Gemäldes nicht herumkomme, offenbarten sich immerhin zwei Buchstaben: D. K. Und es stellte sich heraus: Das Schäfermädchen war eine Übermalung; unter der oberen Schicht zeigte sich die junge Dame auf einmal barbusig. Das glückliche Ende der Geschichte: Das Bild stammte von einem Maler aus dem 18. Jahrhundert namens D. Koenen, es erzielte einen Erlös von 30 000 Euro, und die Weltreise war gesichert. Ein Gutachter hatte zuvor geunkt, mehr als 2000 Euro seien aus dem Objekt nicht herauszuholen.

Kürzlich stellten wir in unserer Zeitung den Fall eines Bildes vor, nach dem das Recherche-Startup "Follow the Money" fahndet. Es geht dabei nicht um den materiellen Wert, sondern darum zu klären, wem die Ehefrau eines jüdischen Kaufmanns im "Dritten Reich" das Ölgemälde oder Aquarell veräußerte, um ihren Mann aus dem Konzentrationslager Dachau freikaufen und gemeinsam mit den Kindern über die Schweiz in die USA fliehen zu können. Der Maler heißt Otto Theodor W. Stein, das verschollene Bild zeigt eine lesende Frau.

Wie würde Kunstdetektiv Zachmyc in solch einem Fall vorgehen? Er würde versuchen, alles über den Maler in Erfahrung zu bringen: Wo hat er gewirkt? Welche Formate bevorzugte er? Wen hat er porträtiert? Wo und zu welchen Preisen wurden die Bilder verkauft? Meistens, so weiß Zachmyc, fahren die Leute nicht weit, um Kunstobjekte zu veräußern. Dann geht es darum, welche Händler oder Auktionshäuser in der Nähe damals mit jener Art von Kunst handelten. Vielleicht gibt es Nachfahren von Rahmenmachern und Sammlern, die Auskunft geben können, oder Museumsleute. Je mehr Zeitgenossen man befragt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch der stets heiß ersehnte hilfreiche Gast einstellt: Kommissar Zufall.

Ein Mitarbeiter des Kunstdetektivs will sich nun auf eigene Faust in den Fall Otto Theodor W. Stein einschalten. Vielleicht lässt sich die Kunstjagd dadurch noch beschleunigen.

Üblicherweise wird der Kunstdetektiv im Auftrag tätig. Honorieren lässt er sich für die Reinigung eines Bildes nach einer von ihm selbst entwickelten Methode, für schriftliche Bewertungen zu einem Bild (75 Euro pro DIN-A-4-Seite) - und im Übrigen nur im Erfolgsfall. Dann nimmt er fünf Prozent des Verkaufspreises. Mit Reinigung und Restaurierung hatte alles angefangen, beide Angebote bilden auch heute noch die Basis der Geschäftstätigkeit. Und gar nicht so selten fungieren sie als Türöffner für einen Recherche-Auftrag.

Oft liest man von Kunstfunden auf einem Dachboden. Gibt es so etwas wirklich? Zachmyc jedenfalls hat es schon erlebt. Ein junger Mann brachte ihm ein Ölbild, das sich als Werk des Düsseldorfer Hühnermalers Carl Jutz (1838-1916) entpuppte. Dafür gab es vor elf Jahren immerhin 60 000 Euro.

Heute hat Zachmyc ein paar ganz heiße Eisen im Feuer. Er spricht von da Vinci und immer wieder von van Gogh. Der Fall ist kompliziert. Es geht um eine Version von van Goghs "Sonnenblumen". Schon kurz nachdem die japanische Versicherungsgesellschaft Yasuda 1987 das Bild bei Christie's in London zum damaligen Rekordpreis von 25 Millionen englische Pfund ersteigert hatte, rankte sich darum der Verdacht, dass es sich um eine Fälschung des Malers Émile Schuffenecker handle, der 1901 mit der Restaurierung des Originals betraut worden war. Von verschiedenen Seiten regte sich Widerspruch. In den offiziellen Ergebnislisten der Auktionshäuser wird dieses Bild jedoch heute nicht mehr als Originalgemälde van Goghs geführt. Und Zachmyc behauptet nun, das Original befinde sich in seiner Obhut, der von ihm recherchierte Fall stehe kurz vor der Aufklärung.

Er hat nach eigenen Angaben auch schon einen möglichen Käufer zur Hand, einen Amerikaner, der bereit sei, das Bild zu einem hohen zweistelligen, vielleicht sogar dreistelligen Millionenbetrag zu erwerben. Käme der Handel zustande, hätten Zachmyc und diejenigen, die ihn bei der jahrelangen Recherche unterstützten, Anspruch auf eine saftige Provision. Herrliche Aussichten für den Kunstdetektiv. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.

(RP)
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