Düsseldorf Kulturbauten auf der Streichliste

(RP). Köln, Bonn, Bochum – viele Städte in NRW geben derzeit große Projekte zum Bau von Theatern oder Konzerthallen auf. Grund ist die hohe Verschuldung der Kommunen, aber auch der Wunsch vieler Bürger, die alten Gebäude zu erhalten. Not, so scheint es, macht weise.

(RP). Köln, Bonn, Bochum — viele Städte in NRW geben derzeit große Projekte zum Bau von Theatern oder Konzerthallen auf. Grund ist die hohe Verschuldung der Kommunen, aber auch der Wunsch vieler Bürger, die alten Gebäude zu erhalten. Not, so scheint es, macht weise.

Nun ist also die Zeit der Vernunft, des Maßhaltens gekommen. Erst hat sich Köln gegen den Neubau seines Schauspielhauses entschieden, weil für den großen Wurf das Geld fehlte und die kleine Lösung keinen Sinn mehr ergab. Dann hat sich Bonn gegen ein neues Festspielhaus ausgesprochen, obwohl große Unternehmen am Ort es spendiert hätten. In Bochum ist der Bau einer neuen Konzerthalle fertig geplant — und auf unbestimmte Zeit verschoben.

In allen Fällen sorgt die Finanznot der Kommunen dafür, dass sie — oft in letzter Sekunde — ihre Großprojekte absagen. Die Einsicht setzt sich durch, dass Städte, die ihre Schulen nicht mehr sanieren können, Schwimmbäder, Musikschulen, Jugendtreffs schließen müssen, ihren Bürgern kaum erklären können, dass sie andererseits mehrere Hundert Millionen Euro für neue Kulturbauten ausgeben.

Doch es geht an Rhein und Ruhr nicht nur um haushälterische Vernunft, sondern auch darum, dass sich die Menschen ihre vertrauten Theater und Konzertsäle nicht nehmen lassen wollen. In Köln wie Bonn haben sich Bürger organisiert, die nicht nur gegen die enormen Ausgaben protestierten, sondern auch für etwas: den Erhalt von 1960er-Jahre-Gebäuden, die zwar keinen guten Ruf genießen, aber eben doch zum Gesicht der Städte gehören. Und zu deren Geschichte.

Als jüngst das Düsseldorfer Schauspielhaus, ein zugleich trutziger wie elegant geschwungener Bernhard-Pfau-Bau, 40-jähriges Bestehen feierte, drängten so viele Menschen zur Geburtstagsmatinee, dass der Platz im Haus nicht reichte. Und auch in Wuppertal mischte sich in den Protest der Bürger gegen die massiven Kürzungen im Etat des Schauspielensembles Trauer um das Graubner-Schauspielhaus aus dem Jahr 1966, das durch nüchterne Anmut besticht, aber schon als abgeschrieben gilt. Bürger, so scheint es, identifizieren sich nicht nur mit Schauspielern, Sängern, Tänzern, sondern auch mit den Gebäuden, in denen sie "ihren Künstlern" begegnen.

Und das zu Recht, findet Horst von Bassewitz von der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz. "Die 60er-Jahre-Bauten gelten ja auch deswegen als spröde und unbeliebt, weil die Städte sie verkommen lassen", sagt er. Kommunen müssten unbedingt mehr Geld für den Unterhalt ihrer Gebäude ausgeben. Der laxe Umgang nicht nur mit dem Erbe dieser Zeit empört die Stiftung so sehr, dass sie in der nächsten Woche einen "Bonner Appell" veröffentlichen wird, in dem sie gegen den leichtfertigen Abriss denkmalgeschützer Bauten protestiert.

Die jüngsten Rückzieher bei Kultur-Neubauten machen allerdings auch deutlich, dass es in Deutschland eine neue Skepsis gegenüber großen Bauprojekten schlechthin gibt. Keine Diskussion mit engagierten Bürgern, bei der nicht auf das U-Bahn-Desaster von Köln verwiesen würde oder auf die Hamburger Elbphilharmonie, die nun wahrscheinlich 500 Millionen Euro verschlingen wird. Angst macht sich breit vor Projekten, die dem Laien unüberschaubar erscheinen. Daran tragen auch Architekten eine Mitschuld, die Modelle entwerfen, denen man schon ansieht, dass sie den Finanzrahmen der Kommunen sprengen werden. Vielleicht müssen daher die Kommunen ihre Wettbewerbsverfahren überdenken, in denen man mit attraktiven Entwürfen gewinnen kann, die sich als Luftschlösser erweisen müssen.

Denn auf Dauer ist es schädlich für ein Land, wenn Zauderer das Sagen haben. So war in Köln wenig die Rede davon, ob es tatsächlich klug ist, immerhin um die 200 Millionen Euro in die Sanierung eines Hauses zu stecken, das für den modernen Theaterbetrieb baulich nicht gerüstet ist. Das will man nun ändern, aber An- und Umbauten sind naturgemäß Stückwerk.

So ist es zwar erfreulich, dass mit den jüngsten Neubau-Debatten ein neues Interesse der Bürger am Geschick ihrer Stadt erwacht ist. Auch sind etwa in der Kölner Bürgerbewegung viele Menschen vom Fach. Doch bleibt die grundsätzliche Frage, ob städtebauliche Entscheidungen in direkten Demokratieverfahren getroffen werden sollten. Das Düsseldorfer Schauspielhaus etwa wäre wohl nicht gebaut worden, hätte man die Bürger direkt gefragt. Raumplanung ist ein komplexes Feld, Architektur eine Kunst — Fortschritt kann es in diesen Bereichen nur geben, wenn ab und an auch mutige, radikale, ja, auch einsame Entscheidungen gefällt werden.

Solange aber die Kommunen am Abgrund stehen wie derzeit, können sie nur schwer visionäre Bauherren sein. Selbst wenn Projekte wie der spektakuläre Erweiterungsbau des Museums Küppersmühle in Duisburg zeigen, dass die kluge Zusammenarbeit zwischen privaten Investoren, Land und verschuldeten Kommunen möglich ist. Auch in Bochum gibt es Überlegungen, die Symphonie in irgendwie abgespeckter Version doch zu bauen, weil es schon Bürgerspenden und Stiftungsgelder gibt.

In wirtschaftlich schweren Zeiten werden kommunale Bauten so tatsächlich Sache der Kommune — der Gemeinschaft der Bürger.

(RP)
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