Künstler Christo Der Künstler für das kurze Glück

Sulzano · Die Veranstalter waren wegen des schlechten Wetters und dem Besucheransturm überfordert: An einem See in Italien hat der 81-jährige Künstler Christo zwei Inseln und das Festland mit leuchtenden Stegen verbunden. Was steckt hinter dem Ausnahmekünstler?

 Die Stege sind 16 Meter breit und haben eine Länge von insgesamt drei Kilometern. Sie sind aus 22.000 Schwimmwürfeln gefertigt.

Die Stege sind 16 Meter breit und haben eine Länge von insgesamt drei Kilometern. Sie sind aus 22.000 Schwimmwürfeln gefertigt.

Foto: dpa, drn pro

55.000 Menschen kamen allein am Eröffnungstag, um auf seinen "Floating Piers" zu wandeln, bis am Nachmittag endgültig dichtgemacht wurde. "Kommt gar nicht mehr", ließen Christos Leute verlautbaren. Nichts ging mehr. Die Stege waren voll.

Ein drei Kilometer langes Wegenetz hat der Künstler zwischen dem Örtchen Sulzano und den Inseln Monte Isola und San Paolo aus schwimmenden Kunststoffwürfeln installieren lassen, bespannt mit gelbem Tuch sieht das aus der Ferne aus wie Sonnenstrahlen. Es ist die jüngste und eine erneut spektakuläre Arbeit des 81-Jährigen, der als Christo Wladimirow Jawaschew in Bulgarien geboren wurde und in New York lebt. Dort ließ er sich 1964 mit seiner Frau Jeanne-Claude nieder, die 2009 starb. Seine "Floating Piers" sind eines der Projekte, die sie noch gemeinsam geplant hatten.

"Ich vermisse sie immer", sagte Christo einmal. Mehr als 50 Jahre arbeitete und lebte das Künstlerpaar zusammen. 22 Großprojekte sind in dieser Zeit entstanden: 1968 verhüllten sie die Kunsthalle in Bern; 1983 umsäumten sie elf Inseln in Florida mit pinkfarbenem Stoff; 2005 stellten sie im New Yorker Central Park 7503 mit safrangelbem Stoff bezogene Metalltore, "The Gates", auf. Wer welchen Anteil an der künstlerischen Aktion hatte, darüber wird viel spekuliert. Christo, der als Einzelkünstler bildhauerisch, zeichnerisch und mit Installationen in großen Museen vertreten ist, lässt sich dieses Geheimnis nicht entlocken. All ihre Kunst habe sich aus sehr privaten Gründen ereignet, die Wahl der Orte habe mit menschlichen Beziehungen in den jeweiligen Ländern zu tun gehabt, sagt er. "Unsere Werke sind sehr simpel, das Schwierigste ist die Erlaubnis."

37 ihrer Projektideen wurden Christo zufolge abgelehnt. Bis das Paar 1995 den Berliner Reichstag verhüllen durfte, vergingen 23 Jahre. Dreimal scheiterte das Genehmigungsverfahren, bis der Bundestag schließlich zustimmte. Und auch als das Parlamentsgebäude schließlich mit silbern beschichtetem Polypropylengewebe eingedeckt war, blieb die Skepsis. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl begleitete die Vollendung mit den Worten, er ginge lieber auf dem Ku'damm einen Kaffee trinken, als sich den verhüllten Reichstag anzuschauen. Fünf Millionen Besucher entschieden sich anders.

Oftmals wurde Christo ein Verpackungskünstler genannt, eine Bezeichnung, die er immer ablehnte. Christo verpackt nicht, er verhüllt und lässt dadurch neue Strukturen sichtbar werden. Er ist ein Bildhauer der Natur. "Ich fing an, einfache Dinge wie Flaschen, Dosen und Stühle zu verwandeln und zu schauen, wie sich unsere Wahrnehmung dadurch verändert", sagte er einmal über die Anfänge. Seine Kunst fordert neue Sichtweisen ein. Indes: Was verpackt ist, ist weg.

Christo allerdings war nie ein Aktionskünstler, der etwa durch Performances auffiel, obgleich sein Schaffen ebenfalls nur für den Moment sichtbar wird. Den Reichstag ließ er für zwei Wochen verhüllen, die Stege auf dem Iseo-See bleiben nur bis zum 3. Juli. Christo greift in das Bestehende ein und macht es für eine Weile zur Kunst - er ist ein Künstler für das kurze Glück. Anders als viele Aktionskünstler wird er dabei nie Bestandteil seiner Werke, obgleich sein Name immer eng mit seinen Arbeiten verbunden ist. Die Marke Christo finanziert sein Schaffen, alle Arbeiten zahlt er aus eigener Tasche, durch den Verkauf von Zeichnungen, Entwürfen, Stofffetzen. Den Traum von den "Floating Piers" ließ er sich 13 Millionen Euro kosten.

(kl)
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