Verhärtete Fronten Köln ringt um Schauspiel-Neubau

(RP). Am Dienstag entscheidet der Kölner Stadtrat darüber, ob er am Neubau des Schauspielhauses festhalten will oder sich einem Bürgerbegehren anschließt, das für die Sanierung des alten Hauses kämpft. Intendantin Karin Beier ist auch gegen den Neubau. Die Fronten sind verhärtet.

Verfahrene Situation in Köln: Eigentlich will die Stadt ihren Bürgern ein neues Theater bauen. Das ist seit Dezember beschlossene Sache und wäre in Theater-Krisenzeiten eigentlich ein positives Signal. Doch immer mehr Bürger wollen diesen Neubau gar nicht mehr, und auch die Intendantin des Kölner Schauspiels kämpft mit zunehmender Vehemenz gegen das Vorhaben.

Dass sich ausgerechnet Theaterleute und kulturinteressierte Bürger kurz vor Baubeginn gegen das Projekt stemmen, hat seinen Grund in den veränderten Plänen für den Neubau. Eigentlich hatte die Stadt Großes vor: Ein neues Theaterkraftwerk wollte Köln sich leisten mit unterirdischen Werkstätten, Probezentrum. Doch bei näherer Planung stellte sich heraus, dass ein solches Zentrum statt der geplanten 230 Millionen Euro 364 Millionen kosten würde. Dann kam die Wirtschaftskrise, und so beschloss der Stadtrat im Dezember, das Theater in einer deutlich abgespeckten Version neu zu errichten: ohne unterirdische Werkstätten, ohne spartenübergreifendes Probezentrum.

Das aber macht für Schauspielintendantin Karin Beier keinen Sinn mehr: "Die Rumpfversion bringt so wenig Vorteile, dass der Neubau nicht mehr zwingend ist", so Beier. "Und wenn es nicht notwendig ist, ein Theater abzureißen, dann darf man es auch nicht abreißen; dann wäre das ein Sakrileg, denn dieses Theater besitzt Seele und Patina, und sein Abriss wäre auch ein Angriff auf die Seele der Stadt."

Hinzu kommt, dass die Erben des Schauspiel-Architekten Wilhelm Riphahn inzwischen angekündigt haben, mit allen Mitteln gegen einen Abriss des Gebäudes aus dem Jahr 1962 vorzugehen. Zwar lässt sich der Denkmalschutz aushebeln, wenn der Neubau ein unumstrittener Gewinn für die Stadt ist, doch die Urheberrechtsansprüche der Riphahn-Erben könnten für die Stadt teuer werden.

Karin Beier hat in ihren Abteilungen nachgefragt, welche baulichen Veränderungen zwingend sind, um die Arbeitsabläufe zu verbessern. Das ist dringend notwendig, denn der Riphahn-Bau besitzt keine Hinterbühne, und es fehlen Nebenflächen, was unter anderem bei der Anlieferung von Bühnenteilen Schwierigkeiten bereitet und dazu führt, dass das Theater mehr Schließtage hat als andere Häuser. Die Intendantin ist überzeugt, dass diese Schwachstellen auch ohne Neubau zu beheben sind.

Die Stadt aber, so Beier, will mit ihr nicht über einen Plan B sprechen. Stattdessen wird es am Wochenende einen Infotag im Rathaus geben, bei dem die Bürger sowohl die überarbeiteten Neubaupläne des Kölner Architekturbüros JSWD ansehen können wie auch die Alternativpläne der Intendantin und der Initiatoren des Bürgerbegehrens "Mut zu Kultur". An dessen Spitze steht der Architekt Peter Busmann, der unter anderem die Kölner Philharmonie gebaut hat. Sein Bündnis hat 50 000 Unterschriften gegen den Theaterneubau gesammelt und fordert nun vom Stadtrat, dass er sich in seiner Sitzung am Dienstag dem Bürgerbegehren anschließt. Sollte der Rat so entscheiden, würde er 1,3 Millionen Euro freigeben, um die Sanierung des bestehenden Hauses professionell zu planen und die Kosten abzuschätzen. Sollte sich der Rat dem Begehren widersetzen, kommt es am 11. Juli zu einem Bürgerentscheid, die Kölner würden also direkt über die Neubaufrage abstimmen.

Das aber wünschen sich weder die Intendantin noch das Bürgerbegehren. Sie beklagen, dass damit weitere Monate verloren gingen, in denen bereits an der Planung der Sanierung gearbeitet werden könnte. Daher appelliert Peter Busmann an den Rat, schon in der nächsten Woche eine Kehrtwende vorzunehmen und sich den rebellierenden Bürgern anzuschließen.

Für die Architekten des Büros JSWD, die für das Projekt mit Pariser Kollegen zusammenarbeiten, ist eine schwierige Situation entstanden, da das Büro den ausgeschriebenen Wettbewerb regulär gewonnen hat und nun doch wieder um den Auftrag bangen muss. "Zu diesem Zeitpunkt alles wieder in Frage zu stellen, ist, als säße man in einem rasenden Schnellzug und denke über das Halten nach", sagte Jürgen Steffens, Gesellschafter bei JSWD, bei einer Diskussionsveranstaltung und präsentierte erstmals Innenansichten des geplanten Neubaus. Der soll ein vertikales Foyer bekommen und einen Zuschauerraum mit Wänden, die in verschiedenen Farben leuchten könnten. Beier kann all das nicht mehr einnehmen. Sie fürchtet sogar, dass mit einem Abriss des alten Hauses nach dem kölschen Motto "Wat fott is, is fott" Tatsachen geschaffen werden könnten, und wettert darum gegen die Pläne: "Wenn es zu der Rumpfversion kommt, dann ist Köln als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet."

(RP)
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