Nach Antisemitismus-Eklat Erster Vorsitzender der documenta tritt zurück – Kuratorenteam entschuldigt sich

Kassel · Jörg Sperling, der erste Vorsitzende des „documenta forums“ in Kassel ist nach Antisemitismus-Vorwürfen zurückgetreten. Er hatte zuvor die Entfernung des umstrittenen Werks kritisiert. Auch das Kuratorenteam aus Indonesien entschuldigt sich.

 Letzte Reste vom umstrittenen und abgebauten Kunstwerk „People's Justice“ vom Künstlerkollektiv Taring Padi stehen auf dem Friedrichsplatz vor dem Museum Fridericianum.

Letzte Reste vom umstrittenen und abgebauten Kunstwerk „People's Justice“ vom Künstlerkollektiv Taring Padi stehen auf dem Friedrichsplatz vor dem Museum Fridericianum.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Der erste Vorsitzende des „documenta forums“, Jörg Sperling, ist zurückgetreten. Zuvor hatten alle weiteren Vorstandsmitglieder des Fördervereins der documenta sich von einem Interview Sperlings distanziert, wie das „documenta forum“ in Kassel am Donnerstag mitteilte. Sperling hatte die Entfernung eines Werks der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi mit antisemitischen Motiven kritisiert. Dagegen erklärte der Verein: „Die weiteren Mitglieder des Vorstandes halten Bilddarstellungen in der Manier des “Stürmer„ für absolut inakzeptabel.“

Sperling hatte zum umstrittenen Kunstwerk am Mittwoch im Interview mit der dpa erklärt: „Eine freie Welt muss das ertragen.“ Das Werk sei am Dienstag „auf politischen Druck hin“ abgehängt worden. Das Bild sei eine Karikatur und seiner Meinung nach von der Kunstfreiheit gedeckt. „Die Kunst hat ein Thema aufgebracht, das außerhalb der Kunst liegt: das Verhältnis von Palästinensern und Israelis. Dieses Problem kann die Kunst nicht lösen, das kann auch die documenta nicht lösen.“

„Das documenta forum Kassel bedauert ausdrücklich die Äußerungen von Jörg Sperling“, erklärte der Verein. Das Interview sei mit den übrigen Vorstandsmitgliedern nicht abgestimmt gewesen. Ausdrücklich ermutige das Forum alle Kunstinteressierten, die vielschichtigen Exponate, Veranstaltungen, Workshops und Gesprächs-Anlässe wahrzunehmen, um den Dialog zwischen dem Norden und dem Süden dieser Welt in Augenschein zu nehmen.

Kuratorenteam entschuldigt sich

Das kuratierende Kollektiv der documenta fifteen in Kassel hat sich in einer schriftlichen Stellungnahme für die antisemitischen Darstellungen auf der Weltkunstschau entschuldigt. „Wir haben alle darin versagt, in dem Werk die antisemitischen Figuren zu entdecken“, schrieb Ruangrupa am Donnerstag auf der Website der documenta. „Es ist unser Fehler. Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und Schock, die wir bei den Betrachtern verursacht haben.“

Ein als antisemitisch eingestuftes Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi war nach wenigen Tagen auf der documenta abgebaut worden. Zuvor hatte es schon seit Monaten Antisemitismus-Vorwürfe gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa aus Indonesien gegeben.

„Wie wir jetzt vollständig verstehen, knüpft diese Bildsprache nahtlos an die schrecklichste Episode der deutschen Geschichte an, in der jüdische Menschen in beispiellosem Ausmaß angegriffen und ermordet wurden“, schrieb Ruangrupa weiter über das Werk. „Wir nutzen diese Gelegenheit, um uns über die grausame Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus weiterzubilden und sind schockiert, dass diese Figur es in das fragliche Werk geschafft hat.“ Das kollektiv hergestellte Banner beziehe sich auf die „ungelöste dunkle Geschichte Indonesiens“.

(boot/epd)
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