Kabarettist Florian Schroeder über Olaf Scholz „Als Kanzler ist er an der falschen Stelle“

Interview · Der Kabarettist soll in Düsseldorf die Gewinner des 23. Deutschen Karikaturenpreises würdigen. Was ihn derzeit bewegt und ärgert, verrät er schon mal vorab.

 Der Kabarettist Florian Schroeder

Der Kabarettist Florian Schroeder

Foto: Frank Eidel

Der Berliner Satiriker Florian Schroeder (41) gehört in Deutschland zur ersten Garde seiner Zunft. Gemeinsam mit Helene Pawlitzki, dem Manon-Streichquartett und dem Schattentheater Mobilés wird er für die humorvolle Umrahmung des Programms bei der Verleihung des 23. Deutschen Karikaturenpreises sorgen. Rheinische Post, Weserkurier (Bremen) und der Sächsische Zeitung (Dresden) richten die große Matinée am 25.9. gemeinsam aus.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiepreisschock – fühlen Sie sich angesichts dieser vielen schlechten Nachrichten manchmal als Satiriker überfordert?

Schroeder Nein, ganz im Gegenteil. Der Satiriker ist ein Profiteur des Negativen, was ihn mit dem Journalisten verbindet. Wenn tieffliegende Geister wie Winfried Kretschmann den Waschlappen als Duschersatz empfehlen, müffelt und mieft es so sehr nach Zeigefinger, dass ich mein Glück kaum fassen kann.

Gibt es da eine Grenze, etwa das Leid im Krieg in der Ukraine?

Schroeder Selbstverständlich. Keine Gags auf Kosten von Menschen, die es nicht verdient haben. Und dazu zählen alle Opfer und erst recht die Betroffenen des Krieges. Wenn aber plötzlich 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr da sind, und Kanzler Scholz irgendwo einen Geldspeicher findet, von dem bisher niemand etwas wusste, nicht einmal er selbst, dann geht die Tür des Satirikers weit auf.

„Lass mich in Frieden“ lautet das Motto des Deutschen Karikaturenpreises, bei dem Sie durch die Veranstaltung im Düsseldorfer Schauspielhaus führen. Passt das auf die heutige Zeit?

Schroeder Ein schönes Motto, zu dem ich eine eigene Interpretation hinzufügen möchte: Es gibt nach meiner Beobachtung eine Art Nachrichtenflucht, vielleicht als Antwort auf die Nachrichtenflut. Verständlich, aber gleichzeitig gefährlich unpolitisch. Viele Menschen versuchen, sich in eine Nostalgie zurückzubeamen, welche die Vergangenheit so rosarot einfärben soll, wie sie als Gegenwart niemals war. Sie sehen es an den Fernsehshows, die jetzt laufen: Der Ernst der Lage fördert den Eskapismus, den ich aus dem Wunsch, in Frieden gelassen zu werden, herauslese.

Schauen Sie sich eigentlich gerne Karikaturen an?

Schroeder Ja, unbedingt. Karikaturisten haben den Vorteil, dass sie mit Bildern arbeiten können. „Bild schlägt Text“ heißt es im Fernsehen. Das bedeutet: Das Bild ist stets mächtiger als das Wort, schneller, zugänglicher. Bei Karikaturen und Cartoons kommt der Bildwitz und der Wortwitz zusammen. Im besten Fall kann man doppelt lachen.

Die Pointe muss bei beiden sitzen.

Schroeder Absolut. Da gibt es keinen Unterschied. Von Thomas Bernhard stammt der schöne Satz: Man müsse die Fähigkeit haben, die Welt zur Karikatur zu machen. Das verbindet Wortsatiriker mit Karikaturisten und Cartoonisten: Wir müssen die Welt auf eine Pointe verdichten, ohne sie allzu sehr zu vereinfachen.

Sie haben Verschwörungstheorien vor Corona-Leugnern karikiert und dafür den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten. Würden Sie das Gleiche auch vor Putin-Verstehern tun?

Schroeder Warum nicht. Wichtig ist, dass man einen möglichst subversiven Ansatzpunkt findet. Es ist aber immer gut, aus der eigenen Blase des vorhersehbaren Applauses rauszugehen. Die Nahaufnahme hilft bei der Selbstreflexion. Im Übrigen besteht eine spannende Verbindung zwischen diesen beiden Gruppen. Wer die Gefährlichkeit von Corona in Abrede stellt, hat oft erstaunliches Mitgefühl mit Putin und seinem Handeln. An Sahra Wagenknecht kann man das beispielhaft beobachten. Wie sich die selbsternannten Freiheitskämpfer gegen die Corona-Diktatur in einer Autokratie putinscher Provinienz fühlen würden, muss wohl ihr Geheimnis bleiben.

Das gilt aber nicht für die SPD, in deren Reihen sich ebenfalls etliche Putin-Versteher befinden?

Schroeder Richtig ist sicher, dass offenbar erstaunlich viele SPD-Politiker Putin lange unterschätzt haben oder gar wie Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sogar auf Tuchfühlung zur russischen Führung gegangen sind, von Ex-Kanzler Schröder ganz zu schweigen. Aber das war nicht allein das Privileg der Sozialdemokraten. Auch die Linke hatte eine bedenkliche Nähe zu Russland und Putin. Und selbst in der CDU gab es Politiker, die sehr eng mit dem Kreml waren. Hier war es wohl eher der Glaube an Wandel durch Handel. Wir sind wohl weltweit dem Spiel des „Spezialisten im Umgang mit Menschen“, wie Putin sich selbst einmal nannte, auf den Leim gegangen. Und das, obwohl er stets ein offenes Buch war. Wer seine Reden und Texte gelesen hat, konnte über den Angriffskrieg nicht überrascht sein.

Hatten Sie Putin oft in Ihrem Programm?

Schroeder Nein, ich sehe mich hier stellvertretend für das politische Problem: Ich habe mich erst jetzt mit Putin und seiner Geschichte näher beschäftigt, da ich merkte, dass ich hier Lücken hatte. Viel zu spät natürlich. Wie sagte Hegel: Die Eule der Minerva beginnt erst mit der heraufziehenden Dämmerung ihren Flug.

Kann ein Kabarettist für Waffenlieferungen sein?

Schroeder Ja, man kann für alles sein, solange es originell gedacht ist. Wenn ein Kabarettist per se für oder gegen etwas ist, wäre es langweilig. Die Aufgabe des Komikers ist zu überraschen, die Scheinwerfer umzuhängen und alles gegen den Strich zu bürsten.

Darf man Witze über die Ukraine als Land machen?

Schroeder Das darf man. Es kommt aber auf die Perspektive an. Korruption und unverhohlenes Machtstreben gab und gibt es auch in der Ukraine. Da wird derzeit sicher viel Material liegengelassen. Aber Tatsache ist: Ohne jeden Anlass wurde die Ukraine von Russland überfallen. Für mich ist deshalb spannender, die Täterseite, also Putin, und seine Tarnung als Opfer anzuschauen, als auf das am Boden liegende Opfer einzuschlagen.

Wie gefährlich sind in Deutschland die Feinde der Demokratie von rechts und links?

Schroeder Man darf sie nicht unterschätzen, aber Gelassenheit ist auch angezeigt. Ich kenne besonders die Querdenkerszene. Und was ich an denen gefährlich finde, ist ihre Vielfalt. Ausgerechnet ich, der sonst die Vielfalt so schätzt, halte das für eine Bedrohung. Es gibt dort Linke, Rechtsextreme, Spinner, Esoteriker, Jünger von Rudolf Steiner, Mystiker und sicher auch intelligente Leute. Eine explosive Mischung. Wenn diese Szene jetzt die hohen Energiepreise im Herbst als neues neues Thema entdecken, könnte es unruhig werden.

Sie gelten als politisch nicht festgelegt, Ihr Kollege Dieter Nuhr hat ausgesprochen konservative und wirtschaftsliberale Züge. Muss ein Kabarettist nicht links sein?

Schroeder Nein, ich finde die originell vorgetragene konservative Position überaus spannend – im Journalismus genau wie in der Komik. Viele Kabarettisten, mutmaßlich auch Karikaturisten und Cartoonisten, kommen aus einer Welt, in der Unsicherheit größer war als Sicherheit. Sie haben deshalb ein Interesse an Veränderung. Deswegen gibt es sicher mehr linke als konservative Satiriker. Aber zwangsläufig ist das nicht. Mein Feind ist das Dogma – egal, woher es kommt.

Sie können begnadet Prominente parodieren. Im vergangenen Jahr sagten Sie bei einem Interview, zu Scholz falle Ihnen nichts so recht ein. Hat sich das geändert?

Schroeder Das hat sich fundamental geändert. Im Wahlkampf hat er ja nichts gesagt. Und weil seine Konkurrenten Annalena Baerbock und Armin Laschet sich um Kopf und Kragen geredet und gelacht haben, blieb er am Ende Sieger.

Und jetzt?

Schroeder Mittlerweile zeigt er ein stabiles Talent, immer dann zu schweigen, wenn es geboten wäre, entschieden zu sprechen. Der vielleicht erste Kanzler, der offenbar nur das ablesen kann, was andere ihm vorher aufgeschrieben haben. In heiklen Situationen kann er nicht reagieren. Er will die totale Kontrolle, das schließt lebendiges Agieren aus.Wenn Palästinenserchef Abbas von 50 Holocausts der Israelis daherredet, bleibt der Kanzler stumm und verabschiedet ihn mit Handschlag. Scholz ist sicher ein äußerst intelligenter Politiker, der sich gut und präzise in Themen einarbeiten kann. Aber als Kanzler ist er an der falschen Stelle. In dieser Position kommt es auch darauf an, schnell und schlagfertig zu reagieren. Denken Sie nur an die emotionale Bundestagsrede Selenskyjs nach dem Überfall. Auch da schwieg der Kanzler, obwohl Selenskyj ihn persönlich angesprochen hatte. Scholz ist ein Tagesordnungspunkt-Kanzler mit Hang zur Arroganz.

Kennen Sie Politiker mit Humor?

Schroeder Da wird es sicher einige geben.

Las mich in Frieden 23. Deutscher Karikaturenpreis

Las mich in Frieden 23. Deutscher Karikaturenpreis

Foto: DDV Sachsen GmbH

Können Sie einen oder eine nennen?

Schroeder Hm. Ich habe es zwar noch nicht erlebt, aber bei Herrn Habeck vermute ich auf jeden Fall Humor. Mit Peer Steinbrück bin ich sogar gemeinsam auf Tour gegangen. Und Frau Merkel konnte ironisch und schlagfertig sein.

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