Inside Ecologies im Weltkunstzimmer Im Labor der Öko-Kunst

Die Ausstellung „Inside Ecologies – Umwelt als Interaktion“ lässt den Besucher natürliche und digitale Ökosysteme erfahren.

 Der Leiter des nicht ganz ernst gemeinten Instituts für Methode reinigt mittels virtueller Realtität die Gedanken von Autor Clemens Henle.

Der Leiter des nicht ganz ernst gemeinten Instituts für Methode reinigt mittels virtueller Realtität die Gedanken von Autor Clemens Henle.

Foto: Anne Orthen (orth)

Ärzte gibt es für so ziemlich alle Leiden. Eine neue Heilmethode allerdings bietet das Institut für Methode, ansässig im Weltkunstzimmer, an. Dort kann man sich von parasitärem Gedankengut befreien lassen. Der Empfang im nicht ganz ernst gemeinten Institut für Methode läuft wie in einer echten Arztpraxis. Im Wartebereich begrüßt ein Mann im weißen Kittel den Patienten und ein Fragebogen wird ausgefüllt. Die weitere Besprechung führt der nach eigenen Angaben nicht approbierte Doktor MCGXSVA04/177 in einem an alte Krankenhäuser erinnernden Behandlungszimmer durch. „Die gedankliche Gesundheit steht bei uns im Fokus, daher löschen wir ihre parasitären Gedanken. So können sie Glück zur Gänze erfahren“, erklärt der Doktor ernst. Die Gedankenreinigung vollzieht sich dann mittels modernster technischer Methoden. Nach 20 Minuten unter einer Virtual-Reality-Brille ist die Behandlung abgeschlossen. Wie das genau passiert und ob es wirklich funktioniert, soll hier nicht weiter ausgeführt werden.

Denn die Ausstellung „Inside Ecologies – Umwelt als Interaktion“ im Weltkunstzimmer hat neben diesem wirklich sehenswerten Ausflug in die Welt dystopischer Science-Fiction-Filme noch einiges mehr zu bieten. Grundthema der ambitionierten Ausstellung ist die Erforschung des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur in natürlichen, aber vor allem auch in digitalen Ökosystemen. Was erstmal sperrig und kompliziert klingt, wird auf dem Rundgang immer deutlicher. Denn trotz der Vielfältigkeit der ausgestellten Arbeiten ist die Thematik immer deutlich zu erkennen. Wie zum Beispiel im Video „Punishment“ von Julius von Bismarck. In diesem sieht man den Jungstar der Kunstwelt, wie er die Schweizer Alpen oder das Meer an der Copacabana auspeitscht. Hier treten also Mensch und Natur gegeneinander an. Ganz wie der persische König Xerxes, der, nachdem ein Sturm seine Schiffbrücke zerstört hatte, den Hellespont auspeitschen ließ. So erfolglos wie der Perserkönig ist natürlich auch der Versuch von Bismarcks, die Natur zu bestrafen. Die Brandung der Copacabana wirft ihn immer wieder aufs Neue um.

Die Kraft der Natur zeigt sich auch in den Arbeiten von Thimo Franke. In Glaskästen lässt Franke, der bei Gregor Schneider studiert hat, Pflanzen auf kaputten Handys oder alten Büchern wuchern. So wird die Börsenzeitung zum Nährboden für Moose und aus kaputten Smartphone-Bildschirmen wachsen Orchideen. So erobert sich diese organische Masse unaufhaltsam die menschengemachten Kulturgüter zurück.

Um die künstlerische Zusammenarbeit von Menschen und Tieren geht es bei CMUK, einem Künstlerkollektiv bestehend aus Ute Hörner, Mathias Antlfinger sowie den beiden Papageien Clara und Karl. Die Papageien gestalten mit ihren Schnäbeln Skulpturen aus Kork, zerreißen das Magazin der Wochenzeitung Zeit zu einer wilden Kollage oder machen Tintenkleckse für den ersten und einzigen von Tieren gemachten Rorschach-Test. So werden die Tiere zu den eigentlichen Akteuren und Gestaltern der Kunst, die durch ihre menschlichen Kollegen möglich gemacht wird.

Ganz im Einklang mit der Natur arbeiten Conrad Kürzdörfer und Brian Holden. Ihr Container im Hof des Weltkunstzimmers ist eine Anbaustation nach den Prinzipien der Permakultur. So wird Gemüse und Obst in einem fast geschlossenen Versorgungskreislauf von Biomasse, Wasser und Energie angebaut. In Hochbeeten vor dem Container wachsen Tomaten, Paprika und Kräuter, der Dünger für diese Pflanzen wird aus menschlichen Exkrementen auf dem Containerklo erzeugt. Kürzdörfer und Holden zeigen mit ihrem Sustainer auf ganz praktische Weise, wie durch moderne Technik eine neue Art des häuslichen Anbaus möglich wird.

Richtig partizipativ wird es im Eingangsbereich dann wieder mit der Arbeit „The artist and the swinging wood“ von Taka Kagitomi. Am Rhein gefundenes Treibholz wird durch technische Effekte und Verstärker zum Klingen gebracht. Bei Berührungen erklingen unterschiedliche Töne und Schwingungen. So entsteht aus Tönen, Schwingungen und Beats der Klang des Waldes. Ein meditatives Erlebnis und wahrscheinlich die wahre Reinigung von parasitären Gedanken. Denn was das Institut für Methode alleine nicht schafft, erreicht die Ausstellung „„Inside Ecologies – Umwelt als Interaktion“ im Zusammenspiel aller Arbeiten: einen gänzlich glücklichen Besucher dieser leider viel zu versteckten Ausstellung. Ein Geheimtipp, der nicht geheim sein sollte.

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