Spießrutenlauf auf der Buchmesse Leipzig Helene Hegemann will jetzt Jura studieren

(RP). Der Superstar der Buchmesse ist vor wenigen Tagen volljährig geworden, ziemlich klein und bei jedem Auftritt "jetzt schrecklich nervös". Doch es sind nicht nur die – sagen wir mal: radikal geschilderten – Drogen- und Sexerfahrungen aus "Axolotl Roadkill", die Helene Hegemann solchen Ruhm bescheren.

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(RP). Der Superstar der Buchmesse ist vor wenigen Tagen volljährig geworden, ziemlich klein und bei jedem Auftritt "jetzt schrecklich nervös". Doch es sind nicht nur die — sagen wir mal: radikal geschilderten — Drogen- und Sexerfahrungen aus "Axolotl Roadkill", die Helene Hegemann solchen Ruhm bescheren.

Es ist der Dunst des literarisch Verbotenen und Anrüchigen, der die Prosa-Debütantin umgibt. Die Plagiatorin kommt, scheint die stumme Begrüßung jeder ihrer Auftritte auf der Buchmesse zu sein. Ein Spießrutenlauf auf hohem Niveau, bei dem die Werkzeuge der Drangsalierung haufenweise Foto- und Filmkameras sind, die in immer waghalsigeren Positionen über, neben oder frontal auf die Autorin gerichtet sind.

Bei einem dieser Termine setzt sich dann Hegemann einfach vor die Bühne auf den Boden und telefoniert erst einmal. Fernmündliche Hilferufe? Auf jeden Fall wird sie ein paar Augenblicke später auf dem Podium sagen: "Mir geht's nicht gut gerade."

Sie sagt stündlich Termine ab

Vielleicht sagt auch darum Helene Hegemann derzeit stündlich Termine ab: die Zugfahrt von Berlin zur Leipziger Messe mit einer Lesung für die Fans? — annulliert; ihr Auftritt am Stand der "Zeit"? — kurzfristig abgesagt. Hegemann schottet sich ab, kommt nur noch zur Verleihung des Buchmessen-Preises. Und da wird um 16.40 Uhr MEZ unter dem riesigen Glasdach in der Disziplin Belletristik Georg Klein für den düsteren "Roman unserer Kindheit" als Sieger aufgerufen — nicht Hegemann. Klein ist eine gute Wahl und vielleicht sogar die best-mögliche für Hegemann.

Noch bei der Preisverleihung hatte sich die Jury-Vorsitzende Verena Auffermann genötigt gefühlt, ihre Kandidatin gegen alle Anwürfe unter den Schutz ihrer lobenden Worte zu stellen. Besonders natürlich gegen die prominenten Unterzeichner der sogenannten Leipziger Erklärung, darunter Grass und Loest und Christa Wolf, die sich gegen "geistigen Diebstahl" und "Verfälschung als Kunst" zur Wehr setzen. Mit diesem Manifest ist in Leipzig eine neue Form nachhaltiger Lektüre in Mode gekommen, die unter anderem ergab, dass Mitunterzeichnerin Wolf für ihren Roman "Kindheitsmuster" wunderschöne Auftaktsätze fand, die zuvor aber leider schon bei Faulkner zu lesen waren. Sollte Wolf also, ja was: die paar Worte entlehnt, gebraucht, gar geklaut haben?

Kein Preis, aber Zukunftspläne

Die Literatur ist nicht erst mit Hegemann fraglich geworden. Ob auch Wolf oder Faulkner zu den literarischen Vorbildern der Debütantin zählen, bleibt indes unbeantwortet, obgleich deren Zahl Hegemann mit "wahrscheinlich 70" annonciert. Wobei sie umgehend und öffentlich zu bedenken gibt, dass sie so viele Romane noch gar nicht gelesen hat.

Kein Preis für Hegemann also, das ist kein Urteil für die Zukunft. Ohnehin scheint die Autorin sehr eigene Pläne zu hegen, wie sie noch vor der Preisverleihung bekanntgibt: "Ich studiere jetzt Jura, habe ich mir überlegt." Das kommt riesig an bei den Fans, auch bei dem Mädchen in vorderer Reihe mit dem Ratgeber unterm Arm: "Träumen Sie auch davon, einen Roman zu schreiben?" An ihr geht Helene Hegemann dann ganz dicht vorbei, die von ihrer Agentin noch schnell eine Kritik zum Auftritt bekommt: "Ich weiß nicht, was du hast; das mit der Jury war doch super."

(RP)
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