"Komm zur Ruhr!": Grönemeyers Hymne hat den Ton getroffen

Düsseldorf (RP). Der Clou ist die letzte Zeile: "Ich mein ja nur, komm zur Ruhr" singt Herbert Grönemeyer da, lässig verschmitzt, als wolle er sich für den sinfonischen Bombast und das textliche Pathos entschuldigen, die er soeben dem Schneesturm entgegengeschleudert hat. Dabei hat er natürlich jede Zeile ernst gemeint, dieser Ruhri-Superstar, der sich für Gefühle noch nie geschämt hat.

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Grönemeyer hat dem Ruhrgebiet eine würdige Hymne geschenkt mit Paukenwirbel, Hörnerglanz, Geigenschmelz und 'nem Pulsschlag aus Stahl. Beim Internethändler Amazon hat sie sofort Platz eins der mp3-Charts erreicht. Zwar ist "Komm zur Ruhr" eher gediegen denn rockig geraten, aber zumindest bei der Eröffnungsfeier auf der Zeche Zollverein hat das die Stimmungslage genau getroffen: Gerührt war man von sich selbst, von den stahlharten Zeiten, die man im Kumpelland gemeinsam durchstanden hat — auch und gerade als die Feuer erloschen. Und dann das Lied zum Mythos, vorgetragen von einem, der sich aus dem Pott emporgesungen hat, da brauchte es kaum noch den himmlischen Backgroundchor, um die Zuhörer zu Tränen zu rühren.

Die Tugenden der Ruhrgebietler

Dazu ein Text, in dem Grönemeyer die Tugenden der Ruhrgebietler beschwört in hymnischen Dreiklängen wie "urverlässlich, sonnig, stur" oder "klar, lässig, stark". Da schreibt er den Menschen seiner Heimat genau jene Unbestechlichkeit, Bodenhaftung und Solidarität zu, die viele in diesen Zeiten vermissen. "Wo man nicht dem Schein erliegt, weil man nur auf Sein was gibt, wo man gleich den Kern benennt" — das ist Anti-Dünkel, auf den man an der Ruhr nun mal stolz ist.

Auch wenn Grönemeyers kumpelhafte Solidaritätsbeschwörungen und Multikulti-Slogans wie "Wo woher kein Thema ist" mehr Wunsch sind als Analyse — im Ruhrgebiet scheint die Utopie vom toleranten Miteinander ein wenig greifbarer als anderswo, das will man den Ruhrgebietlern gerne zugestehen. Und eine Hymne ist eine Hymne.

Natürlich hat Grönemeyer sich mal wieder zu ein paar sprachlichen Exzentrizitäten verstiegen, wenn es vom Ruhrgebiet heißt, es sei "so ur" und durchflossen von der "Seelenruhr". Doch weil das mit vertrautem Grönemeyer-Nölsound gesungen ist und unterlegt mit Musik, die etwas zentrifugal Fliegendes hat, etwas, das an Kinder denken lässt, die sich an den Händen greifen und sich drehen, bis sie kichernd in den Schnee plumpsen, darum will man auf diesen Kleinigkeiten nicht herumreiten. Grönemeyer singt eben gern mal, "es wird Nacht und es wird Tag" oder, dass einen an der Ruhr "kein Schaum erschlägt". Was soll's? Jeder kann sich einen Reim drauf machen, selbst in Düsseldorf lästert man gelegentlich über Schaumschläger.

Die Menschen in Kulturhauptstadtland haben ein Lied bekommen, das sie mit gleicher Inbrunst singen können wie "Bochum". Nur diesmal gilt es für das gesamte Ruhrgebiet. Und wenn sich auch Rheinländer eine Träne aus dem Augenwinkel wischen — man wird es gelassen nehmen. Im Ruhrgebiet sind sowieso alle "von irgendwo wech".

(RP)
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