Charlotte Roches Werk hat am Samstag Premiere "Feuchtgebiete" in Halle auf der Bühne

Halle (RPO). Wer das Skandalbuch "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche gelesen hat, der mag sich zu Recht fragen, wie funktioniert dieser Stoff wohl auf der Bühne. Ab dem heutigen Samstag kann man sich davon selbst überzeugen: Das Stück feiert in Halle/Saale Premiere.

"Feuchtgebiete" kommt auf die Bühne
26 Bilder

"Feuchtgebiete" kommt auf die Bühne

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Die Anspannung vor der Hauptprobe zum Stück "Feuchtgebiete" nach dem gleichnamigen Buch von TV-Moderatorin Charlotte Roche ist im Neuen Theater in Halle mit Händen zu greifen. "Es ist der erste komplette Durchlauf", sagt die Pressesprecherin am Donnerstagabend und meint wohl: Es kann noch etwas schiefgehen. Und Regisseurin Christina Friedrich bittet darum, "dass nur Vorberichte geschrieben werden, keine Rezensionen".

Ein Vorbericht also zur Aufführung eines Stoffs, der in literarischer Form für höchste Aufregung und mehr als eine Million verkaufter Buchexemplare geführt hat. Es ist der subjektive Zustandsbericht einer Endpubertierenden, die ihren Körper erkundet, befriedigt, Schorf knabbert, Eiter leckt, über Analfissuren- und -sex reflektiert und dies alles mit drastischen Worten beschreibt.

Wie kommt das nun auf der Bühne daher? Eines darf verraten werden: Hoffnungen oder Sorgen über besonders erotische, eklige oder erschütternde Szenen sind unbegründet. Zuckende Körper und Stöhnen und Schreien und Andeutungen von Sex kommen zwar vor, aber nicht in einer für die Bühne neuen Dimension.

Auch Theater habe Grenzen

Wie kann, gemessen an dem, was in vier, fünf Jahrzehnten freier Klassiker-Interpretation, "Publikumsbeschimpfung" und sonstigen Grenzüberschreitungen im Regietheater zunächst regelmäßig für Skandale, dann lediglich für ritualisierte Empörung gut war und schließlich kaum noch eine hochgezogene Augenbraue provozieren kann, ausgerechnet die Dramatisierung von "Feuchtgebiete" so zurückhaltend wirken?

Auch Theater habe Grenzen, sagt Christine Friedrich. "Ich kann eine Vivisektion oder eine Intimrasur nicht auf der Bühne zeigen." Deshalb spielt die Aufführung mit den Assoziationen der Zuschauer. Wer weiße Flüssigkeiten sieht, darf an Sperma denken oder sich eine rote Pfütze als Blut vorstellen.

So wie das Stück Vorgänge im Kopf der Protagonistin Helen darstellt, entstehen die Bilder letztendlich, wie Theater so ist, im Kopf des Betrachters. Welche Erwartungen dabei eine Rolle spielen, zeigt die Reaktion der anwesenden Fotografen. Als ein nackter Mann auf dem Boden liegt und Helen ihren Kopf in einigem Abstand über dessen Rücken bewegt, wird das Klicken der Kameras in dem Moment zum Stakkato, in dem sie sich dem Hintern nähert. Die Bilder dürften suggestiver wirken, als die Szene selbst.

Verzicht auf Schleim und Sekrete

Durch den Verzicht auf das Explizite, auf Schleim und Sekrete, kommen Inhalte stärker zum Vorschein, die im Buch vom Sexuellen überlagert werden: Die Geschichte eines radikalen, zerrissenen Mädchens, das mit seiner Familiengeschichte kämpft, das Nähe und sich selbst sucht. Es gehe, so die Regisseurin, "um das Diktat der Schönheit" und "die körperlose Gesellschaft". Als ein großes Experiment für das Neue Theater empfindet sie die Arbeit mit dem vielbeachteten Stoff nicht: "Das war eine überschaubare Angelegenheit."

Die Botschaft des Stücks möchte Christina Friedrich so verstanden wissen: "Berührt euch, küsst euch, fasst euch an." Was sie von dieser Aussage und den Leistungen der Schauspieler halten, werden nach der Premiere am Samstag (27. September) Zuschauer und Rezensenten entscheiden. Autorin Charlotte Roche wird nach eigener Aussage nicht anwesend sein.

(afp)
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