Johannes Mario Simmel ist tot Er war der Meister des Trivialen

Düsseldorf (RPO). Im Alter von 84 Jahren ist am Neujahrstag Bestsellerautor Johannes Mario Simmel im schweizerischen Zug gestorben. Die Gesamtauflage seiner Bücher liegt bei weit über 75 Millionen Exemplaren. Seine Literatur war Unterhaltung und zugleich das humane Engagement für eine bessere Welt.

Das ist Johannes Mario Simmel
7 Bilder

Das ist Johannes Mario Simmel

7 Bilder

Man sagt Simmel und denkt sofort: ach ja, Trivialliteratur. Das Wort hievt die Bücher ein gutes Stück nach hinten ins Bücherregal, bis man sich zu wundern beginnt, wie viele seiner Titel man eigentlich aus dem Stegreif aufsagen kann: "Mich wundert, dass ich so fröhlich bin" und "Es muss nicht immer Kaviar sein", "Lieb Vaterland magst ruhig sein" und "Hurra, wir leben noch" und und und.

Johannes Mario Simmel war also einer dieser Erfolgsautoren, die als nicht ganz schick gelten, weil sie zu viele Menschen bewegt und unterhalten haben. Solche Vorbehalte dürften jetzt vornehmer formuliert werden. Am Freitag wurde bekannt, dass Johannes Mario Simmel am Neujahrstag im Alter von 84 Jahren im schweizerischen Zug gestorben ist.

So viel ist sicher: Die meisten Jahre seines Lebens hat Johannes Mario Simmel auf der Überholspur verbracht. Ein Mensch, der Romane und Erzählungen im Fließband produzierte, der viel Geld hatte und nach eigenen Worte mit einer Frau fast alles durchbrachte.

Der eifrig und aufwendig recherchierte­, der sich immer als ein "Künder wahrer Humanität" verstand und der sich geschworen hat, niemals Langeweile mit Literatur zu verwechseln und immer aufregend zu schreiben. Das ist ihm offenbar geglückt. Denn nicht anders ist eine Gesamtauflage von weit über 75 Millionen Exemplaren erklärlich.

Wer mit Simmel am so genannten Lebensabend darüber sprach, durfte einem mit sich zufriedenen Mann gegenübersitzen. Er bereue wenig, sagte er damals bei einem Treffen in Köln. Selbstverständlich auch nicht das gute Leben. "Es ist ja nicht gesagt, dass jemand besser schreibt, nur weil er ständig Graupensuppe löffelt."

Diese Selbstgewissheit aber hieß nicht Selbstgenügsamkeit. So leicht und stereotyp er auch schrieb, sein wirkliches Anliegen, sein ehrliches Engagement gegen die Unbillen des 20. Jahrhunderts dürfen nie unterschätzt werden.

In gewisser Weise war Simmel ein Heinrich Böll für die große Masse, sein Werk eine Art demokratische Gebrauchsliteratur. Darum hat er sich selbst, trotz seines riesigen Erfolges, eher auf der sozialistischen Seite des Lebens gesehen. Die Idee des Kommunismus sei großartig, werde aber in den Händen von Ideologen zu einem mörderischen Instrument, sagte er.

"Und so wird es auch enden"

Und sein Kapitalismus-Statement atmet aus heutiger Sicht fast schon Prophetisches: "Mich erinnern all diese Megakonzerne und Fusionen an den Turmbau zu Babel. Und so wird es auch enden."

Bei Simmel, der am 7. April 1924 in Wien als Sohn eines Chemikers geboren wurde, scheint es auf irritierende Weise nie allzu große Umwege gegeben zu haben. Seinen ersten Novellenband, "Begegnung im Nebel", legte er mit 17 Jahren vor, 1949 folgte mit "Mich wundert, dass ich so fröhlich bin" der erste und bereits erfolgreiche Roman.

Spätestens ab 1960 war der Durchbruch geschafft und die finanzielle Unabhängigkeit ­ auch vom Brotberuf des Journalisten ­ gegeben. Romane über die DDR, die korrumpierte Welt der Reichen, den Handel mit biologischen Waffen und die globale Umweltzerstörung ("Im Frühling singt zum letzten Mal die Lerche" von 1990) umfassen das Panorama eines Schreibens, das natürlich das eigene Erleben und die eigene Person nicht aussparte. Der Alkoholismus, der im Bestseller "Bis zur bitteren Neige" von 1962 Thema wurde, war auch für Simmel von Belang.

Fast untrüglich war sein Gespür für ein bedeutsames und aktuelles Thema, das dann ein sehr schnell arbeitendes Räderwerk in Gang setzte. Das schnurrte ohne Reibung, das bediente sich natürlich auch bestimmter und vor allem erfolgversprechender Schemata: die Rückblicke auf vergangene heile Welten, das luftige Spiel mit dienlichen Mythen, die Trennung zwischen gut und böse, arm und reich, ehrlich und durchtrieben, eine Prise Naivität, ein Hintergrund aus Angelesenem.

Solche "Gesetze" hatte sich Simmel gewissermaßen mit einem wasserfesten Edding in Arbeitsbuch notiert. Darin muss auch gestanden haben, immer nur Bücher zu schreiben, in denen Menschen vorkommen, die jeder kennt und in denen sich darum jeder wiederfindet.

Keine Angst vor dem Tod

Die Identifikation ist bei Simmel wichtig, weniger die Reflexion. Schon deshalb konnten zu seiner Leserschaft kaum Leute gehören, "denen zu einem Rülpser erst etwas einfällt, wenn er als Performance in einer Galerie stattfindet", wie es einmal der Autor und Kulturkritiker Peter Glaser formulierte.

Furcht vor dem Tod kenne er nicht. Nur vor zu großen Schmerzen. Auch darum bekannte er sich freimütig dazu, Mitglied in der Schweizer Organisation "Exit" zu sein und sich der Sterbehilfe zu bedienen. Ohne Reue, wie er damals sagte. "Dieses eine Leben reicht mir voll und ganz."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort