Festival für digitale Kunst und Musik in Düsseldorf Kirchturmglocken aus dem iPhone

Das Festival „Die Digitale“ bietet in Düsseldorf von Freitag an einen Überblick über die digitale Kultur der Gegenwart. Das Festival läuft bis zum 25. November, das Programm ist umfangreich.

 Pony (Daniel Georgieva) beim Festival „Die Digitale“

Pony (Daniel Georgieva) beim Festival „Die Digitale“

Foto: die digitale/Lotte Baatz

Wer in den nächsten Tagen an der Bergerkirche vorbeigeht, wird sich womöglich wundern. Statt Glockengeläut ertönt nämlich das Klingeln eines iPhones vom Turm des Gotteshauses in der Altstadt. Die Künstlerinnen Klarissa Flückinger und Mahtola Wittmer haben sich das ausgedacht. Sie haben dasselbe schon in der St.-Peters-Kapelle in Luzern veranstaltet, und hinter der Aktion steht eine Frage: Kann es sein, dass das Smartphone für viele Menschen zu einer Art Gott geworden ist? Man bittet es um Rat, man vertraut dem Gerät alles an, man wendet sich zu ihm hin, wenn man alleine ist. „Gott ruft an“, sollen Touristen in Luzern gerufen haben, als sie das ungewöhnliche Geläut hörten.

Das „Zeitzeichen“ betitelte Kunstprojekt ist Bestandteil der „Digitale“, jenes Festivals, das sich vom 9. bis zum 25. November mit Aspekten der digitalen Kunst und Musik beschäftigt. Das Oberthema der inzwischen dritten Ausgabe dieser anregenden Veranstaltung zur Durchdringung unserer verschlungenen Gegenwart lautet „Digital Gods“: Technologie als Religionsersatz.

Die „Digitale“ ins Leben gerufen haben der Künstler und Eventmanager Werner Pillig und der frühere Vorsitzende des Kunst- und Kulturvereins Damen und Herren, Peter Witt. Das Digitale verändert unsere Gesellschaft, sagen sie, es krempelt alle Bereiche um, und das muss man reflektieren. Eine Inspiration zum Programm sei Anthony Levandowski gewesen, der als Prophet der Robotik galt, bei Google gearbeitet hat und für Uber selbstfahrende Autos entwickelte. Nach Rechtsstreitigkeiten mit seinen Arbeitgebern gründete er eine eigene Religion. „Way Of The Future“ heißt sie, und in deren Zentrum steht eine Gottheit in Form einer Künstlichen Intelligenz. Bei Levandowski ist nicht so ganz klar, ob er Satire im Sinn hat oder schlicht zu lange vor dem hellen Bildschirm saß. Für Pillig/Witt macht der zweifelhafte Fall deutlich, wie wichtig kritische Auseinandersetzung mit einer Zukunft ist, die längst begonnen hat.

Wie weit darf man sich der Technik ausliefern? Antworten erhoffen sie sich von der Kunst. Erneut haben sie einen großen Teil der Düsseldorfer Off-Räume mit einbezogen. Die zentrale Sammelausstellung zum Thema wird im Weltkunstzimmer zu sehen sein. Dort gibt es etwa eine Lichtkathedrale von Yves Peitzner, die man tatsächlich betreten kann. Jutta Ravenna zeigt digitale Kirchenfenster. Constantin Wallhäuser bittet zur digitalen Séance.

Wie ein Netz legt sich das Programm der „Digitale“ über die Stadt. Das Schloss Jägerhof ist ebenso Veranstaltungsort wie das Atelierhaus Höherweg, der Kulturverein Brause und die Stadtbücherei. Ben J. Riepe zeigt seine neue Choreographie „Geister Fragment“, Haru Specks hält eine seiner musikalischen Vinylpredigten in der Christuskirche, nun zum Thema „Digital Gods“.

Die Musik ist der zweite große Bereich der „Digitale“. Star des Festivals ist dabei der britische Elektronik-Produzent Actress alias Darren J. Cunningham. Dessen Alben „Hazyville“ und „Splazsh“ gehören zum Aufregendsten, was in den vergangenen Jahren aus Großbritannien gekommen ist. Er ist am 15. November im Weltkunstzimmer zu erleben. Ebenso vielversprechend dürften die Auftritte der Düsseldorfer Helden Pony (9. November, Weltkunstzimmer) und BAR (25. November, Masterplan Studios) werden. Und Penelope legt am 10. November vor dem Auftritt der Brasilianerin Lyzza alias Lysa da Silva im Sipgate in Unterbilk Platten auf.

„Die Digitale“ ist eine Mischung aus Ringvorlesung, Symposium, Workshop, Ausstellung und Konzert. Die vorherigen Ausgaben waren so gut und unterhaltsam kuratiert, dass man am Ende tatsächlich meinte, schlauer zu sein und besser zu verstehen, was gerade passiert. Das aktuelle Programm verspricht, ähnlich wirkungsvoll zu werden.

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