Weltkunstausstellung in Kassel Steinmeier kritisiert Umgang der documenta mit Antisemitismus

Kassel · Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Eröffnungsfeier der „documenta fifteen“ die Verantwortlichen der Kunstschau für ihren Umgang mit Antisemitismus-Vorwürfen kritisiert. Die Ausstellung beginnt offiziell an diesem Samstag.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht bei der Eröffnung der documenta fifteen vor dem Kunstwerk „Tamás Péli für RomaMoMA“ in hessischen Kassel.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht bei der Eröffnung der documenta fifteen vor dem Kunstwerk „Tamás Péli für RomaMoMA“ in hessischen Kassel.

Foto: dpa/Swen Pförtner

„Es fällt auf, wenn auf dieser bedeutenden Ausstellung zeitgenössischer Kunst wohl keine jüdischen Künstlerinnen oder Künstler aus Israel vertreten sind“, sagte er in Kassel laut Redemanuskript. Er sei sich im Vorfeld nicht sicher gewesen, ob er überhaupt zu der Eröffnung kommen würde. Die Weltkunstausstellung wurde am Samstag in Kassel offiziell eröffnet.

Dass sich Vertreter des „globalen Südens“ vermehrt weigerten, gemeinsam mit jüdischen Israelis an Veranstaltungen oder Festivals teilzunehmen, empfinde er als verstörend. „Die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Kunst sind Wesenskern unserer Verfassung. Kritik an israelischer Politik ist erlaubt“, erklärte das deutsche Staatsoberhaupt. „Doch wo Kritik an Israel umschlägt in die Infragestellung seiner Existenz, ist die Grenze überschritten.“

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der „Bild am Sonntag“, es sei den Verantwortlichen der documenta nicht gelungen, die Antisemitismus-Vorwürfe in glaubwürdiger Weise auszuräumen. Er teile die kritische Einschätzung des Bundespräsidenten.

Der hessische Antisemitismus-Beauftragte Uwe Becker übte insbesondere Kritik an dem documenta-Beitrag „Guernica Gaza“ der palästinensischen Künstlergruppe „The Question of Funding“. Die „künstlerische Gleichsetzung“ der Verbrechen des faschistischen Deutschen Reiches im spanischen Bürgerkrieg mit den „Handlungen der israelischen Armee“ lasse kaum Zweifel, dass es den Autoren um die Diffamierung Israels gehe.

Die documenta in Kassel wird 2022 erstmals von einem Künstlerkollektiv aus Asien kuratiert - von der neunköpfigen Gruppe „Ruangrupa“ aus Indonesien. Bereits zum Jahresbeginn hatte es rund um die documenta eine Diskussion über Israelfeindlichkeit gegeben. Der Antisemitismusvorwurf gründete sich darauf, dass einige der eingeladenen Künstler die vom Bundestag als antisemitisch eingestufte internationale BDS-Kampagne unterstützen sollen, die zum Boykott gegen Israel aufruft.

Die Vorwürfe hatte unter anderem der Kasseler Oberbürgermeister und documenta-Aufsichtsratsvorsitzende Christian Geselle (SPD) zurückgewiesen. Die Künstler der „Ruangrupa“ hätten sich klar gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, gewaltbereiten religiösen Fundamentalismus sowie jede Art von Diskriminierung positioniert.

Zur Eröffnung versprach Geselle Besuchern eine „besondere Ausstellung“ in einer herausfordernden Zeit: „Das Publikum erwartet eine sehr dynamische, interaktive, bunte, lebendige, fröhliche, aber auch nachdenkliche 'documenta fifteen'.“ Kassel sei eine weltoffene Stadt und freue sich über das besondere Flair während der kommenden 100 Tage.

Insgesamt sind nach Angaben der Veranstalter rund 1.500 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt mit ihren Werken an der Ausstellung beteiligt, die sich auf rund 30 Standorte in der Stadt verteilt. Die documenta gilt als eine der weltweit wichtigsten Ausstellungen für moderne Kunst und findet alle fünf Jahre statt. Sie geht auf eine Initiative des Kasseler Malers und Hochschullehrers Arnold Bode (1900-1977) zurück, der 1955 die erste große Schau moderner Kunst in seiner Heimatstadt organisierte. Die „documenta fifteen“ ist in Kassel bis 25. September zu erleben.

(hebu/epd)
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