Sturz-Fotograf Kerry Skarbakka Dieser Mann verletzt sich ständig

Kerry Skarbakka ist fasziniert vom Kontrollverlust. Schon seit zehn Jahren hat er ihn zu seiner Passion gemacht. Er stürzt sich von Treppen, Dächern oder aus Fenstern. Das Ergebnis sind spektakuläre Bilder. Ungewollt hat er damit in Amerika Empörung ausgelöst.

Kerry Skarbakka stürzt im Namen Heideggers
14 Bilder

Kerry Skarbakka stürzt im Namen Heideggers

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Diese Bilder. Mitfühlenden Menschen bereitet es Schmerzen, sie anzuschauen. Kerry Skarbakka stürzt er kopfüber die Treppe hinunter. Fällt beim Wechseln einer Glühbirne von der Leiter. Fällt an einer Häuserfront ins Bodenlose. Vieles schwingt in den sorgsam choreographierten Bildern mit. Die Katastrophe ebenso wie das Element des Komischen.

In Interviews hat Skarbakka versucht zu beschreiben, was ihn antreibt. Er will wissen, was psychologisch abläuft in diesen Blitzlichtmomenten zwischen Unfall und Aufprall. Den Sturz versteht Skarbakka als etwas Existenzielles. Darum beruft er sich in seiner Arbeit auch gerne auf den Philosophen Heidegger. Der verstand den Mensch als ins Dasein geworfenes Wesen. Seine Bilder "konfrontieren uns mit unseren Urängsten", schrieb einmal ein US-Kritiker.

Diese Unmittelbarkeit versucht der Künstler aus Brooklyn ebenso herauszudestillieren wie das Ausgeliefertsein. "Meine Arbeit ist nicht zum Erschrecken gedacht. Aber tatsächlich sind wir täglich Risiken ausgesetzt, und wir alle versuchen, auf unseren Füssen zu landen", sagt Skarbakka. Die Bilder seiner Stürze sind dazu gedacht, in den Menschen zu lesen und vielleicht etwas mehr über ihn zu erfahren. Sie versuchen, eine extreme Gefühlslage einzufrieren, um sie betrachtbar zu machen.

In den USA haben seine Sturz-Experimente auch schon zu wütenden Reaktionen geführt. Als Skarbakka sich ablichten ließ, wie er von hochgeschossigen Bürogebäuden stürzte, gingen Medien und Angehörige der 9/11-Opfer auf die Barrikaden. Sie warfen ihm vor, sich auf Kosten ihrer Gefühle zu profilieren. Seine Bilder erinnerten sie an die furchtbaren Szenen am 11. September, als sich Verzweifelte aus den Twin Towers in den Tod stürzten. Skarbakka bedauert das. Aber er konnte nicht anders.

Stets ist er es selbst, der sich in die Tiefe stürzt. Die Suche nach Freiwilligen hatte sich als vergeblich erwiesen. Ein Freund oder Assistent drückt dann den Auslöser. Für seine Arbeit nimmt er dabei auch Verletzungen in Kauf, blaue Flecken, Schürfwunden oder auch Stauchungen gehören fast immer dazu. Auch eine Rippe hat sich Skarbakka schon gebrochen.

Dennoch zeigt der Künstler großen Durchhaltewillen. Eine Einstellung wiederholt er so oft, bis das perfekte Bild im Kasten ist. Nur in Ausnahmefällen bedient er sich digitaler Tricks, um eine Szene zu perfektionieren. Gelegentlich behilft er sich mit Seilen und einer Sicherung, wenn der Sturz sonst zu gefährlich wäre. Sein Leben aufs Spiel setzen will der 42-Jährige nicht. Mit einem Bildprogramm entfernt er dann die Hilfsmittel am Computer.

Zehn Jahre ist Skarbakka nun schon mit seinem Projekt zugange. "Ich habe immer noch ein paar ehrgeizige Motive im Kopf2, verriet er unserer Redaktion auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen. Dann hoffe er das Projekt endgültig abschließen zu können. Derzeit sucht er noch nach einem Verlag für einen Bildband. Ab Samstag wird in Los Angeles seine erste große Ausstellung zu sehen sein. Skarbakka hat hart dafür gearbeitet. Titel der Bilderserie: "Ten Years of Falling".

(pst)
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