US-Politikwissenschaftler "Clash of Civilizations": Samuel Huntington wird 80

Düsseldorf (RPO). Es wird noch einige Zeit dauern, und der Westen wird die dominierende Kultur weit in dieses Jahrhundert hinein bleiben - doch sein Niedergang findet statt. Das ist eine Kernaussage aus dem an griffigen Formeln reichen Werk des Samuel Huntington. Viele seiner Erkenntnisse polarisieren - oder werden von Teilen des Publikums bewusst als provokant empfunden. Am Mittwoch wird der Politikwissenschaftler von der Harvard-Universität und ehemalige Präsidentenberater 80 Jahre alt.

 Dieses Buch hat Samuel Huntington weltberühmt gemacht: "Clash of Civilizations".

Dieses Buch hat Samuel Huntington weltberühmt gemacht: "Clash of Civilizations".

Foto: Verlag

Es liegt in der Natur seiner Schriften, dass neben den Gratulanten auch die Kritiker an diesem Tag einiges zu sagen haben.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert wirkt der am 18. April 1927 in New York geborene Samuel Philips Huntington an der Harvard-Universität in Boston. Mit einer Offenheit, die im Zeitalter der "political correctness" selten ist, hat er fast alle gesellschaftlich relevanten Gruppen früher oder später verärgert.

Huntington, der sich als "eine Art Anglikaner" bezeichnet und sich von dem evangelischen Theologen Reinhold Niebuhr (1892-1971) inspiriert sieht, hat den meisten Religionen und Staaten Unerfreuliches ins Stammbuch geschrieben. Der Westen, so erklärt er etwa, habe seinen Aufstieg und den Sieg im Kalten Krieg nicht der Brillanz seiner Ideen, Werte oder Religion zu verdanken, sondern seiner Überlegenheit in der Anwendung organisierter Gewalt.

Heuchelei und unterschiedliche Wertmaßstäbe

Zum Wesen der westlichen Demokratien und hier vor allem der amerikanischen, so Huntington in seinem bekanntesten Werk, dem 1996 erschienen "Clash of Civilisations", gehöre Heuchelei und das Anlegen unterschiedlicher Wertmaßstäbe: "Die Demokratie wird gefördert, aber nicht, wenn sie islamische Extremisten an die Macht bringt. Die Nichtweitergabe von Atomwaffen wird dem Iran und Irak gepredigt, nicht aber Israel. Menschenrechte sind ein Thema für China, nicht aber für Saudi-Arabien."

Im Brennpunkt der Diskussion um Huntington steht jedoch seine Einschätzung des Islam. Schon lange vor dem 11. September 2001 prophezeite er, dass die Auseinandersetzungen der Zukunft weniger zwischen Nationalstaaten als zwischen Kulturen stattfinden würden. Dass er als einen potenziellen Gegner der Kultur der freiheitlich-westlichen Demokratien vor allem den Islam sah, wird in seinen Schriften vereinzelt angedeutet, gelegentlich auch ausgesprochen.

Die Warnung vor einem militanten Islam hat Huntington, der sich als Demokrat sieht und keineswegs Anhänger der Bush-Regierung ist, massive Anfeindungen der Linken, von Muslimverbänden und Verfechtern des Multikulturalismus eingebracht. Im Gegenzug zeichnete Huntington ein vernichtendes Bild der amerikanischen Geschäftseliten und Intelligenz, die er als abgehoben von den Wertvorstellungen der Normalbürger sieht. Amerikaner seien patriotisch wie kaum eine andere Nation; die so genannten Eliten hingegen hätten Schwierigkeiten, sich zu ihrem Land zu bekennen.

Bedrohung durch illegale Einwanderer

Huntington sieht die Zukunft der USA aber nicht nur durch islamistischen Terror, sondern auch durch illegale Einwanderung aus Mexiko bedroht. "Amerikas Kernwerte", meint er, "sind die christliche Religion, protestantische Werte wie Individualismus, Arbeitsethos und Moral, die englische Sprache sowie die britischen Traditionen in der Gesetzgebung und die europäische Tradition in Kunst, Literatur und Philosophie."

Die Erfolgsgeschichte der Nation beruhe auf der Amerikanisierung immer neuer Einwandererwellen. Das sei vor allem durch das amerikanische Schulsystem und durch den Druck auf Neuankömmlinge erfolgt, die englische Sprache zu beherrschen. Doch diesen Weg habe man verlassen; eine hispanische Nebenkultur wachse heran, die Gesellschaft werde zunehmend fragmentiert. Und die Elite, so beklagt Huntington, unternehme nichts gegen diesen Prozess oder fördere ihn gar.

Der Politikwissenschaftler Samuel Huntington wird 80 - und es könnte durchaus passieren, dass ihm mehr "einfache" Amerikaner ohne Harvard-Abschluss gratulieren als Angehörige der so genannten politischen Klasse.

(afp)
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