Carroll Dunham und Albert Oehlen in Düsseldorf Die geheime Energie der Bäume

Düsseldorf · Der US-Amerikaner Carroll Dunham und der Krefelder Albert Oehlen zeigen in der Kunsthalle Bilder zum Thema Bäume.

 Blick in die Kunsthalle in Düsseldorf: Baummalereien von Carroll Dunham.

Blick in die Kunsthalle in Düsseldorf: Baummalereien von Carroll Dunham.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Unter normalen Umständen könnte sich die Kunsthalle solch ein Doppel nicht leisten. Doch dann kam der Journalist Cornelius Tittel, bot sich Gregor Jansen, dem Hausherrn, als Mitkurator an und führte in Düsseldorf zusammen, was schon lange zusammengehört, aber noch nicht zusammen zu sehen war: die Baummalereien des US-Amerikaners Carroll Dunham (70) und des aus Krefeld stammenden Albert Oehlen (65).

Beide sind Größen nicht nur der Kunst, sondern auch des Kunstmarkts, Oehlen vor allem mit seiner figurativen „Schlechten Malerei“ aus den 1980er Jahren. Während er von dort zu einer surreal verhaltenen, vieldeutigen Kunst fand, ging Dunham den umgekehrten Weg. Aus der Ungegenständlichkeit des automatischen Zeichnens, wie die Surrealisten es entwickelten, stürzte er sich in eine poppig den Sex feiernde Malerei, mit der er heute New Yorker Galerien füllt. Daneben hatte er schon immer einen Nerv für Bäume – und pflegt sie als Motiv so hingebungsvoll wie Oehlen.

Seit an Seit füllen Bilder beider Maler nun die Kunsthalle, Großformate von Oehlen, von Dunham kleinere bis hin zu Miniaturen auf Papier. Im oberen Saal des Hauses zieht ein übermannshohes Gemälde in Gestalt einer senkrecht erstarrten Welle die Blicke der Besucher an. Der Künstler stuft diesen „Paravent“ als Design ein („muss ja nichts Schlechtes sein“) und weist lieber auf seine zumeist titellosen Kompositionen nebenan. Schwarze Baumgespinste wachsen darin wie Kraken auf weißem, nach oben oft rötlich werdendem Grund: eine Mischung aus wurzelnder Pflanze und schreitendem Menschen, Kreationen von hoher ästhetischer Kraft.

Schaut man dagegen auf Dunhams poppige Bäume, mag man zunächst kaum glauben, dass die beiden Künstler die Arbeit des jeweils anderen bewundern. Im sogenannten Kinosaal des Hauses lassen sich die beiden Ansätze am besten vergleichen: Dunhams in kräftigen Farben inszenierte Baumstillleben mit roten, gelben und violetten Tupfern, seine Vorliebe für Schneckenformen, seine zuweilen aufblitzende Abgründigkeit, die sich in einem vom Ast baumelnden Strick äußert; daneben der malerisch ruhige, farblich zurückhaltende Oehlen.

Im Seitenlichtsaal setzt sich die Begegnung der beiden fort. Dunham hat sechs Vitrinen mit meist postkartengroßen Radierungen und Bleistiftzeichnungen ausgestattet, wobei oft orientalische Ornamente den Baum rätselhaft überziehen.

Im Gespräch mit den Künstlern erfährt man, dass Bäume nicht ihr wirkliches Thema sind, vielmehr die Strukturen, die ihnen innewohnen, die Energie, die aus ihnen fließt. Bäume sind ihnen Ausgangspunkte von Experimenten mit Techniken, Oberflächen und Formgerüsten. Dunham neigt zu zeichenhaften, karikaturistischen Darstellungen, Oehlen zum Entwurf einer transparenten, in Schichten angelegten Welt. Alle weitere Deutung überlassen die beiden den Betrachtern, vom biblischen Baum der Erkenntnis bis zum Lieblingsmotiv der Romantiker, von Mondrians Zerstückelung auf seinem Weg in die Ungegenständlichkeit bis zu Beuys‘ Pflanzung seiner 7000 Eichen.

Was Durham und Oehlen miteinander verbindet, ist ihre Überzeugung, dass es in der Kunst kein Entweder-Oder gebe. Sie mögen die Begriffe abstrakt und figürlich nicht, weil sie im ergiebigen Zwischenreich dieser Felder tätig sind, in einem Reich, in dem die geheime Energie der Bäume sich überhaupt erst entfaltet. Zumindest Albert Oehlen gibt den Besuchern auch etwas Handfestes auf den Weg. Im Foyer bietet ein selbst erdachter „Kafftee“-Automat den Gästen für zwei Euro eine Tasse mit einer Mischung aus Kaffee und Tee. So werden sie für den Rundgang baumstark.

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