Eklat um Kölner Oper Brutale Inszenierung: Chormitglieder ekeln sich

Köln (RP). Es ist ein Vorgang von bislang einzigartiger Dimension: Vor einer Opernpremiere haben sich bislang 28 von 64 Chormitgliedern krank gemeldet. Die Proben hätten die Sänger gesundheitlich angegriffen, heißt es, die Story werde unglaublich brutal inszeniert, es gebe Massenvergewaltigungen und Massaker; das Nervenkostüm der Sänger sei ruiniert. Es geht um die für Anfang Mai in Köln geplante Saint-Saëns-Oper "Samson et Dalila".

Regisseur Tilman Knabe, der gern mit der Faust in die Partitur schlägt, siedelt die im biblischen Palästina spielende Handlung der Oper im heutigen Nahen Osten an. Ursprünglich geht es um den Kampf der Hebräer und ihres Helden Samson gegen die Philister. Bei Knabe gibt es eine Schlacht mit Maschinengewehren und jene Massenvergewaltigung. Diese drastischen Szenen hätten einen großen Teil der Sänger schwer belastet und letztlich krank gemacht, sagte eine Sprecherin des Chors.

Niemand wolle Knabe attackieren; aber man habe ihnen nicht souffliert, was auf sie zukomme. Längst sagen auch die Solisten ab, so Dalia Schaechter als Dalila und Samuel Youn in der Rolle des Oberpriesters. Am Wochenende gab es zudem Versuche, den Dirigenten Enrico Delamboye von seiner Ankündigung abzubringen, den Stab hinzuwerfen oder aus Entsetzen zu zerbrechen.

Tatsache ist, dass Knabe ebenso wie sein spanischer Kollege Calixto Bieito das Metzgerhandwerk gern auf der Bühne ausübt. Dabei gibt es allerdings Nuancen. Es gibt Opern, die an Widerlichkeit der Handlung kaum zu übertreffen sind, doch von allen Fans geliebt werden, und es gibt Inszenierungen, die diese Grausamkeit künstlerisch zu gestalten wissen. Knabe hat diesmal die Ästhetik des Schrecklichen besonders derb zu bedienen versucht, und gern wollte auch die für ihr Mittelmaß bekannte Oper Köln mal in die Schlagzeilen. Dort ist sie jetzt angekommen und versucht verzweifelt, den Vorwurf loszuwerden, sie kalkuliere die Speiübelkeit im Publikum gleich ein.

Knabe scheint der Furor coloniensis, den er erregt, unterdessen zu berühren. Er denke über Änderungen nach, heißt es; ansonsten stehe das Leitungsteam des Hauses geschlossen hinter Knabe. Den schwersten Job hat derzeit das Künstlerische Betriebsbüro: Es muss herumtelefonieren und Ersatz für die Chorsänger finden.

(RP)
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