Auftakt der großen Kunst-Biennale Katharina Fritsch erobert Venedig mit einem Elefanten

Venedig · Das majestätische Tier in grün ist schon jetzt die Attraktion auf der Biennale von Venedig. Im Vorfeld dieses großen Kunstereignisses sorgt das Werk der Düsseldorfer Künstlerin für reichlich Aufsehen.

Katharina Fritsch, Elefant von 1987 aus Polyester und Farbe im Zentralen Pavillon der Biennale.

Foto: dpa/Mirco Toniolo / Avalon / dpa

Mit 37 Dickhäutern und unzähligen Soldaten und Reitern machte sich der Heerführer Hannibal im Jahr 218 vor Christus von Karthago auf den Weg über die Alpen, um Rom zu schlagen, was ihm nicht gelang. 2240 Jahre später landete Katharina Fritsch mit einem einzigen, aber grünen Elefanten jenseits der Alpen in Venedig. Es bildet den Mittelpunkt gleich im Eingang zum Zentralen Pavillon und wird wie ein Wunder bestaunt. Die Düsseldorfer Künstlerin erhält am 23. April den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk, den Oscar gleichsam der Kunst.

Die Wände in diesem ersten Raum, ein Achteck wie im Kaiserdom zu Aachen, sind auf vier Seiten mit wandhohen Spiegeln verkleidet, so dass das kolossale Tier je nach dem Standort des Betrachters sich gleichsam vermehrt. In seinem satten Grün wirkt es im leicht abgedunkelten Milieu großartig, aber auch unheimlich. Übernatürlich und unwirklich. Ein dunkles Urvieh, dessen matte Farben das Licht absorbieren. Auf einem hohen, weißen Sockel scheint es mystisch überhöht zu sein.

Elefanten gehören zu den intelligentesten Säugetieren der Welt. Wie bei Hannibal handelt es sich bei Fritsch um ein afrikanisches Tier, das größer, schwerer und runzliger als der indische Weggefährte ist. Der Rüssel hat mehrere Ringe, und die Ohren sind gewaltig. Die Oberfläche ist geradezu spannend.

Katharina Fritsch ist eine taktisch kluge, auch humorige Künstlerin und eine geniale Bildhauerin. Sie reagiert hellwach auf das Zeitgeschehen wie auf die Männerwelt. Ihr Elefant korrespondiert mit dem geflügelten Markuslöwen auf der 30 Meter hohen Granitsäule am Markusplatz. Das ist keine Absicht, sondern Zufall. Als sie ihn 1987 schuf, konnte sie nicht wissen, welchen Siegerkranz sie einst erhalten werde. Die Skulptur passt zu all den Wappentieren in Venedig wie 2013 ihr blauer Hahn  zu den Helden am Trafalgar Square in London. Damals prangerte sie das britische Patriarchat an. Diesmal scheint sie dem geflügelten, männlichen Herrschaftssymbol der Serenissima zu Leibe zu rücken. Ihr „Lebewesen“ ist ein Zeichen für die Kraft und das Wunder der Natur, aber auch der Kunst, die über politische Ränkespiele siegt.

Erklärbar und unerklärlich, vertraut und unbekannt ist dieses ungemein plastische „Bild“ in einer Zeit, die alles nivelliert. Die Skulptur steht für das Geheimnisvolle und Andere, um das die Besucher sich scharen. Es ist zugleich ein Zeichen für die Friedfertigkeit, die unsere Zeit so dringend notwendig hat. Gerade wegen dieser Eigenschaften hat es Millionen von Jahren überdauert.

Dabei ist die Kunstfigur keine Erfindung, sondern ein Abguss aus dem Bonner Naturkundemuseum, nach einem Original im Wuppertaler Zoo. Lebensgross steht sie in ihrer Körperlichkeit da, in die kleinste Hautfalte in Polyester abgenommen. Von der Wirklichkeit entfernt sie die grüne Farbe, die sehr wenig Binder hat, so dass die Figur eine Patina zu haben scheint.

Ihre Uraufführung hatte das Werk im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld. Das Museum Kurhaus Kleve war vier Jahre lang das „Haus des Elefanten“, obwohl das Tier gar nicht zur Sammlung Ackermans gehörte, mit der es nach Düsseldorf ins K 21 kam. Dort stand es in der Bel Etage und wurde durch die damals unverhüllten Fenster auch draußen in der Stadt gesehen. Für die Ausstellung in der Tate Modern mussten die Fenster ausgebaut werden. Später verschwand die Arbeit in einer Scheune der Künstlerin, denn das Land NRW wie die Stadt Düsseldorf hatten es versäumt, das Werk anzukaufen. Nun wird es in Venedig wachgeküsst, bestaunt wie im Märchen.