Lernen am Ort der Täter Ausstellung: Topographie des Terrors

Berlin (RPO). Nach 15 Jahren Bauzeit wird das neu gestaltete Gelände des Dokumentationszentrums "Topographie des Terrors" in Berlin am 6. Mai eingeweiht. Am früheren Sitz von NS-Zentralen entstand ein schlichter Komplex für Ausstellungen und Seminare, der eine Bibliothek, eine Caféteria und einen Konferenzsaal beherbergt.

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Andreas Nachama ist über die Vollendung "seines" Hauses mitten in Berlin einfach nur erleichtert. Mehr Emotion will sich der Direktor der Stiftung "Topographie des Terrors" nicht gestatten - immerhin geht es um den Originalstandort einer der wichtigsten NS-Kommandozentralen und eine Jahrzehnte dauernde Bau-Geschichte. Am 6. Mai wird das neu gestaltete Gelände des Dokumentationszentrums offiziell übergeben.

In diesen Tagen sind dort noch Bauarbeiter tätig. Auf dem Gelände am Martin-Gropius-Bau in Kreuzberg werden Wege gegossen und Schotterhaufen verteilt, im großen Ausstellungssaal des Hauses bekommt der Fußboden eine Versiegelung. Die letzten Handwerker sollen am 4. Mai das Gelände verlassen. Ab dem zweiten Mai-Wochenende hat das Publikum Zutritt, für 9. Mai ist die erste Veranstaltung geplant.

Engagierte West-Berliner mit dem Historiker Reinhard Rürup an der Spitze hatten Mitte der 80er Jahre das Areal und seine Geschichte dem Vergessen entrissen. Es gab erste Ausgrabungen, dabei wurden 1986 Zellenböden des ehemaligen Gestapo-Gefängnisses, ein Küchenkeller und Reste einer alten SS-Baracke freigelegt. Ab 1987 wurde in einem Flachbau die provisorische Ausstellung aus Texttafeln und Reproduktionen gezeigt. Nebenan überspannte ein Dach das mittlerweile denkmalgeschützte Areal.

"Hier standen die Schreibtische der Täter"

Besucher erfuhren, was während der NS-Zeit am Prinz-Albrecht-Park im Prinz-Albrecht-Palais, dem Prinz-Albrecht-Hotel und der Staatlichen Kunstgewerbeschule angesiedelt war: das Reichssicherheitshauptamt sowie die Zentralen von SS und Geheimer Staatspolizei (Gestapo). "Hier standen die Schreibtische der Täter", sagt Nachama.

In einer Dokumentation der Stiftung heißt es über die Zeit, auch NSDAP, Ministerien, Behörden, Unternehmen, Wehrmacht und Wissenschaft seien an der Unterdrückung und Vernichtung von Millionen Menschen beteiligt gewesen. "Das Gelände war jedoch Zentralort von Planung und Lenkung der meisten Massenverbrechen und Terrorakte des NS-Regimes." Gleichwohl sollten Besucher nicht mit gesenktem Kopf kommen, sagt Nachama. "Denn hier ist ein Lernort, keine Gedenkstätte."

In den Zellen litten Sozialdemokraten wie Rudolf Breitscheid und Kurt Schumacher, Künstler wie Günther Weisenborn, Christen wie Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer oder auch bürgerliche Widerständler, darunter die Frauen und Männer des 20. Juli 1944 und der erste Hitler-Attentäter Georg Elser. Mitglieder der Widerstandsgruppe "Roten Kapelle" um Harro Schulze-Boysen wurden dort ebenso verhört wie der Kommunist Robert Havemann.

Am nördlichen Rand stand die DDR-Mauer

Die Reste der im Krieg zerstörten Gebäude wurden 1949 und 1956 gesprengt. Bis 1963 erfolgte die Beseitigung der Trümmer. Am nördlichen Rand, der Zonengrenze, baute die DDR ab 1961 die Mauer, im südlichen Teil vergnügte sich der Westen bald im Autodrom, einem Parcours für Motorsportbegeisterte. Zwischen Rundkurs und Mauer wirtschaftete eine Bauschutt-Verwertungsfirma.

Die Errichtung des festen Topographie-Sitzes ab 1995 geriet dann allerdings zur Farce. Noch bevor auch nur eine Außenwand stand, hatten sich die Baukosten für den Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor verdoppelt. Später zeichneten sich trotz Preis-Deckelung und Überarbeitung der Planungen für den bautechnisch komplizierten und optisch wuchtigen Bau erneut ausufernde Kosten ab - 2004 wurde der Bautorso preisgegeben. Auch für den Abriss kam der Steuerzahler auf.

Das anschließend gebaute Haus nach einem Entwurf von Architektin Ursula Wilms wirkt dagegen schlicht und leicht. Es begnügt sich mit seiner Funktion als umbauter Raum. Nur ein kleiner Lichthof mit flachem Wasserbecken lässt erahnen, dass der Zweckbau auch gelungene Architektur ist, in die sich nichts hineininterpretieren lässt.

Dagegen ließ Landschaftsplaner Heinz W. Hallmann die Außenflächen kunstvoll gestalten. Märkische Gräser und Sand verleihen dem Gelände einen "steppenartigen Charakter", sagt er. "Papierbirken am Rand nehmen Licht und Helligkeit des vorhandenen Robinienwäldchens auf." Ein Rundweg verbindet die einzelnen Freilichtstationen.

(DDP/awei)
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