Ausstellung „Erklär mir, Liebe!“ Die Liebe in der Kunst

Neuss · Das Neusser Clemens-Sels-Museum hat Werke aus den eigenen Sammlungen zum Thema „Liebe“ zusammengestellt.

Liebespaar Angelica und Medor - Ölgemälde des italienischen Malers Giovanni Antonio Pellegrini von 1715.

Liebespaar Angelica und Medor - Ölgemälde des italienischen Malers Giovanni Antonio Pellegrini von 1715.

Foto: epd/Clemens Sels Museum Neuss

Eng umschlungen hockt das Paar auf einem Baumstamm. Hinter ihm wartet geduldig das Pferd, das es an diesen idyllischen Ort gebracht hat. Ein Liebespaar, zweifellos. Oder doch nicht? Mit Zottelbart und Glatze wirkt er deutlich älter als sie. Und ist er nicht gerade dabei, Geld aus seinem Beutel zu ziehen? Und zeugt ihre leicht ausgestreckte flache Hand nicht allzu sehr von ihrer Bereitschaft, es anzunehmen? „Das ungleiche Paar (Der Liebesantrag)“ ist der Kupferstich von 1494 betitelt, von Albrecht Dürer auf Bütten gefertigt und eine Seite der Liebe zeigend, die mehr an pekuniären Erträgen denn Gefühlsergüssen interessiert ist.

„Erklär mir, Liebe!“ Was Ingeborg Bachmann in ihrem Gedicht 1956 nicht schaffte, ist als Titel wahrlich passend für eine Ausstellung, die sich mit einem eigentlich unerschöpflichen Thema der Menschheit beschäftigt. Zu sehen ist sie im Neusser Clemens-Sels-Museum, das sich dafür ausschließlich der eigenen Sammlungen bedient.

Was immer die Liebe auch ist – die Ausstellung versucht gar nicht erst, sie einzugrenzen, geschweige denn zu definieren. Doch die Schau ist mit Blick auf den Ausstellungsetat des Hauses nicht nur ein kluger Schachzug (weil sie ohne teure Leihgaben auskommt). Vor allem demonstriert sie, welch hohe Qualität die Kunst der eigenen Sammlungen hat. Und wie sinnvoll es ist, diese für Wechselausstellungen immer wieder unter neuen Aspekten zu durchforsten und zu präsentieren. „Wunsch und Wirklichkeit“ zeigte Porträts, denen gern auch Fotos zugrunde lagen; „MenschenBilder“ vor allem Selbstbildnisse von den Präraffaeliten bis zum Jugendstil.

Und nun also „Liebe“. Kurator Ulf Sölter, zugleich auch stellvertretender Direktor des Museums, konnte dafür aus dem Vollen schöpfen, hat Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche und bildhauerische Arbeiten zusammengestellt, die auf die eine oder andere Art die Liebe symbolisieren. 85 Werke kamen für die Wechselausstellung in der zweiten Etage des Hauses zusammen, nicht eingerechnet jene Arbeiten, die in der Ständigen Ausstellung zu sehen sind und ebenfalls Liebesgeschichten erzählen: etwa die der Maria Theresa Zambacco, die gleich zwei Künstlern Muse und Geliebte war: Edward Burne-Jones und Dante Gabriel Rosetti. Beide Künstler malten sie übrigens 1870.

Überhaupt Liebesgeschichten: Damit startet die Ausstellung, zeigt nach langer Zeit wieder die wunderbaren Radierungen Max Klingers zu „Amor und Psyche“ oder Marc Chagalls Farblithografie „Adam et Eve et le Fruit d´defendu“ (Adam und Eva und die verbotene Frucht) aus der „Verve Revue“ von 1960, das als Plakat zigmal vervielfältigt wurde. Für etliche andere Paarungen gibt es weitere Beispiele – und natürlich kann Sölter alle Geschichten dazu erzählen. Allein diese kleine Abteilung zeigt schon, wie schwer die Auswahl gewesen sein muss. Und so geht es auch weiter. „Nächstenliebe“, „Elternliebe“, „Begehren“, „Erste Annäherung“ – für jede Kategorie hat der Kurator die Schätze der Sammlungen gehoben. Ob Gemälde von Maurice Denis oder Giovanni Antonio Pellegrini, Aquarelle von Angelika Kaufmann oder Gustave Moreau, Blätter aus Künstlerbüchern von Pablo Picasso oder Henri Matisse, Radierungen von Käthe Kollwitz oder Heinrich Vogeler – zu allen Zeiten haben sich Künstler von der Liebe und dem, was sie anrichtet, befeuern lassen.

Da ging es bildenden Künstlern nicht anders als denen, die mit dem Wort umgehen: Gedichte von Goethe, Schiller oder Heine passen immer – was sich auch an den Wänden der Ausstellung ablesen lässt. Aber mehr noch kommt das im Katalog zum Tragen. In Bookletform liegt er gut in der Hand, stellt rund 50 Werke vor, begleitet von passender Lyrik oder auch Zitaten prominenter Zeitgenossen. Wie bei Dürers „Ungleichem Liebespaar“, dem Coco Chanels Spruch gegenübersteht: „Die Schönheit brauchen wir Frauen, damit die Männer uns lieben, die Dummheit, damit wir die Männer lieben.“

Nur das „Eheglück“ kommt in der Ausstellung ein bisschen zu kurz. Vermutlich, weil mit der Eheschließung die Liebe im Alltag angekommen ist, wird sie in der Kunst kaum noch ins Bild gesetzt. Allerdings: Eine Ausnahme scheint es doch zu geben. Maurice Denis, schwer verliebt in seine Frau Marthe, die er 1893 geheiratet hatte, setzte ihr und ihrer gemeinsamen Ehe in seinen Gemälden immer wieder ein Denkmal. So sind in der Ausstellung zwölf Blätter aus dem Konvolut „Amour“ (Liebe) zu sehen, mit denen er Situationen und Ereignisse in ihrem Leben verewigte.

Und was ist die Liebe heute? Auch darüber lässt die Ausstellung sinnieren – angesichts von Filmzusammenschnitten des Videokünstlers Nils Kemmerling, der reale Personen über die Liebe reden lässt und ihren Worten Ausschnitte aus Filmen beigesellt. „La La Land“, „Casablanca“, „Tatsächlich...Liebe“, „Schlaflos in Seattle“, „Pretty Woman“, „Titanic“ oder „Brokeback Mountain“, ob mit oder ohne Happy End – die Liebe ist schon ein seltsames Ding.

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