Berlin Kunst unerwünscht

Berlin · In der einstigen DDR-Fahrbereitschaft im Ost-Berlin wollte Unternehmer Axel Haubrok seine Kunstsammlung zeigen. Eigentlich.

Düsseldorf hat der Unternehmer und Kunstsammler Axel Haubrok vor Jahren hinter sich gelassen, jetzt sagt er Tschö zum gutbürgerlichen Charlottenburg, fährt raus zu seiner "Fahrbereitschaft": Zur hässlichen Geliebten mit dem Narbengesicht des letzten Krieges, raus nach Lichtenberg, Berlin-Nord-Ost, Industriehöfe, kurz bevor die Plattenbauten anfangen, die bis nach Irkutsk reichen. Vorbei am grau verputzten Pförtnerhäuschen und hinein in die 18.000 Quadratmeter der "Fahrbereitschaft". Früher war hier alles hermetisch verschlossen - "abjeriegelt, aber jeder wusste", meint ein älterer Passant - heute steht die verglaste Pförtnerloge leer.

Kunst soll da also zu sehen sein, in den grauen DDR-Bauten, und neben dem Pförtnerhäuschen am besten noch mehr Kunst, gleich vorne an die Herzbergstraße. Eine Kunsthalle wollte der Volkswirt Axel Haubrok, 67, schwarze Cordhose, Rollkragenpulli unter leuchtend weißem Haarschopf, dort errichten, aber das Bauamt stellte sich quer. Eine Strafandrohung von 500.000 Euro flatterte ihm stattdessen zum letzten Gallery Weekend Ende April ins Haus, sollte er weiterhin Ausstellungen zeigen. Sein Gelände liege in einem Gewerbegebiet, das keine kulturelle Nutzung vorsehe, hieß es zur Begründung. Bis dahin wurde sein Engagement geduldet. Das Schreiben ließ Haubrok vergrößern und nun prangt es im Eingang der "Fahrbereitschaft".

Schon immer erfolgreich als Lobbyist in eigener Sache, mischt Haubrok die Berliner Wirtschafts- und Kulturpolitik auf: Einen florierenden Kunstbetrieb mit Publikumsverkehr wünscht er sich herbei; die von oben, den Regierenden Bürgermeister, den Kultursenator, hat er auf seiner Seite, wenn da nur nicht die von unten wären, Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) aus dem Bezirksamt etwa, die um die 8.000 Jobs im Gewerbegebiet fürchtet.

Seit fünf Jahren betreibt Haubrok nun die "Fahrbereitschaft", ehemals unterstellt dem ZK Verkehr der SED. Schnieke Westlimousinen standen hier bereit, als wenn der Wartburg für die Herren Minister oder die westdeutschen DKPler, die zu Schulungszwecken eingeladen wurden, nicht gut genug gewesen wäre. Von hier aus wurden mit Millionen-Geldern über vom Ministerium für Staatssicherheit betreute Westfirmen die DKP und die SEW unterstützt - 40 Jahre wuchs hier der Korruptionsfilz, und nun, gut 30 Jahre nach Mauerfall?

Die "Fahrbereitschaft" heute: 65 Mieter, Gewerbe, Künstlerateliers neben Autoschraubern, Vernissagen im früheren DDR-Kasino, Partys in der Kegelbahn. Eine bunte Mischung, schräg gegenüber des Dong-Xuan-Center, Europas größter Umschlagplatz für Plastik-Trash.

Axel Haubrok bezeichnet sich als Vater des Neuen Marktes: Der Journalist und Finanzwirt betrieb Kapitalmarktkommunikation, brachte Unternehmen wie Beate Uhse an die Börse. 2012 hat Haubrok alle seine Firmen verkauft, die Haubrok AG, die Tochtergesellschaften Haubrok Investor Relations (HIR) und Haubrok Corporate Events (HCE). Düsseldorf hat er endgültig nach Jahren der Berlin-Pendelei den Rücken gekehrt.

Seine Kunstsammlung, die bleibt und wächst: 200 Künstler, über 1000 Kunstwerke. Arbeiten bekannter Konzeptkünstler wie Ed Ruscha, Isa Genzken oder Olafur Eliasson gehören zur wenig pflegeleichten Sammlung.

Wann hat das angefangen? Kunst hat Axel Haubrok schon immer interessiert. Vielleicht mit den Zeichnungen von Max Bill, in den Siebzigern. Es war das Raff-Gen, so nennt Haubrok seine Sammelleidenschaft, der Vater sammelte Fotoapparate, und Axel, der große, umtriebige Junge, der er jetzt noch ist, eben Kunst. Unbequeme, internationale Kunst.

Den Hype um die ganz neue, angeblich immer wieder bahnbrechende Kunst, den macht er nicht mit, die heutige Preisrelation hält er für völlig übertrieben. Kunst bedeutet für Haubrok Denken, Anspruch an sich selbst. Nicht zu vergessen: Showeffekt und Entertainment. Ohne geht's nicht, auch, weil Axel Haubrok selbst gute Geschichten liebt. So monetäre Erfolge er auch an Umsätzen zum Verbuchen hatte und hat, zum Beispiel in Sachen Immobilien, das, was ihm die Kunst ist, bleibe ein immaterieller, höherer Wert.

Groß und sperrig wie seine Sammlung ist der Fast-Zwei-Meter-Mann Axel Haubrok, ein Poltergeist, der den Kunstbetrieb nicht als Porzellanladen sieht, sondern als Chance fürs Publikum: 2001, das Jahr, in dem er den gesamten Hausrat des Künstlers Florian Slotawa kaufte, präsentierte Haubrok erstmals öffentlich subjektiven Geschmack im Museum Abteiberg in Mönchengladbach. 25 Galeristen, die die Werke ihrer Künstler in Haubrokschen Besitz übermittelt hatten, mussten ihre Absichten im Katalog darlegen: Welchen Wert hat die Arbeit für meine Sammlung? Was würden Sie mir sonst noch gern verkaufen? Eine Provokation im elitären Zirkel des Kunstmarkts war das.

Jetzt will Haubrok nicht mehr. Eine Essenz seiner gesammelten Papierarbeiten war noch bis Anfang Juli in der "Fahrbereitschaft" zu sehen, jetzt soll Schluss sein, wegen des Ausstellungsverbots. Weitere dort geplante Projekte sind abgesagt. Seine Mitgliedschaft im Kulturbeirat des Bezirks Lichtenberg kündigte er auf. Axel Haubrok sieht sich nun nach anderen Orten für seine Kunst um, heißt es, entweder in Berlin oder anderswo.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort