Marseille Kulturhauptstädte '13: Marseille und Kosice

Marseille · Zwei Städte, die bislang als schmuddelig galten, arbeiten an einem neuen, kulturellen Image.

Europas Kulturhauptstädte sind meist paarweise gruppiert: eine große und eine kleine; eine im früheren Ostblock, eine im Westen; eine leuchtende, florierende und eine eher schmuddelige, erst aufbrechende. Bei Tallinn und Turku war das 2011 so, bei Istanbul und Essen/Ruhrgebiet 2010, bei Luxemburg und Sibiu 2007. Natürlich, jede Großstadt hat immer auch ihre Schattenseiten – aber bei der Auswahl 2013 sind sie wohl augenfälliger denn je.

Marseille, die Millionenmetropole der Provence, ist auch eine Hauptstadt der Ausländerproblematik und des Verbrechens. Und Kosice, die ostslowakische Industriestadt an der äußersten Grenze der EU, trägt mit dem Roma-Getto "Lunik IX" einen sozialen Fleck, den auch das Jubiläumsjahr nicht überdecken kann.

Marseille hat sich gemacht. Jahrzehntelang ließen Provence-Touristen die älteste Stadt Frankreichs links oder rechts liegen. Doch die Kulturhauptstadt 2013 hat erfolgreich an einem Image als Stadt mit Charme gearbeitet. Seit einigen Jahren erlebt sie einen Tourismusboom. Stadtvillen in bester Lage wurden zu Hotels ausgebaut oder aufwendig renoviert. Ehrgeizige Prestigeprojekte werten die Stadteinfahrt künftig an der Seeseite auf. Die Docks, die verkommene Speicherstadt am Hochseehafen, werden unter dem Titel "Euromediterranee" großflächig abgerissen oder umgebaut. Neue Verkehrswege, Parks, Schulen, Freizeitanlagen: für Jahrzehnte die wohl größte Baustelle für Stadterneuerung im Süden Europas. Ein topmodernes, nicht unumstrittenes Europamuseum ist entstanden. Marseille, schon vor rund 2600 Jahren von Griechen gegründet, gestaltet in großem Stil die Zukunft – und ist doch irgendwie immer gemächlich geblieben.

Auch Kosice, das vermeintlich hässliche Entlein nahe der Grenze zur Ukraine, mausert sich. Der "Hauptplatz" zwischen Staatstheater und dem gotischen Elisabeth-Dom strahlt als Prachtboulevard fast wieder in habsburgischem Glanz. Zum Kulturhauptstadtjahr wurde ein baufälliges Hallenbad zu einem Kunst- und Veranstaltungskomplex umgestaltet. Mit 240 000 Einwohnern ist Kosice (sprich: Koschize), deutsch Kaschau, immerhin die zweitgrößte Stadt der Slowakei. Dennoch ist die Metropole am Flüsschen Hornad mit der multikulturellen Geschichte hierzulande fast unbekannt. Trotz hoher Arbeitslosigkeit hat die Stadt mit dem Stahlwerk von "US Steel" einen Standortvorteil gegenüber anderen Städten in der Region: den größten Arbeitgeber weit und breit. Die drei Universitäten ziehen Jugend, Knowhow und damit mögliches Zukunftskapital an. Internationale Chöre und Orchester haben sich angesagt, lokale Künstler stehen in den Startlöchern, um sich der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.

(kna)
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