Konzert in Köln Deichkind vermählen Pop und Kunst

Köln · Es ist gar nicht so einfach, Deichkind zu begegnen. Die Probleme fangen schon damit an, das Ding zu benennen: Sind Deichkind eine Band, eine HipHop-Gruppe oder ein Kunst-Kollektiv? Klar ist, sie bespielen Mehrzweckhallen wie jetzt die fast ausverkaufte Arena in Köln, und unter allem, was sie tun, liegt immer ein Beat.

 Die Band Deichkind ist bekannt für ihre fulminanten Shows.

Die Band Deichkind ist bekannt für ihre fulminanten Shows.

Foto: dpa/Hans Punz

Also tanzen die rund 15.000 Besucher. Sie trinken, springen, und sie grölen viele Textzeilen mit, die die Komplexität der neuen Welt aus digitaler Zersplitterung und aus dem Ruder laufender Diskurse zu skurrilen, aber griffigen Slogans verarbeiten.

Im Titelstück ihres aktuellen Albums „Wer sagt denn das?“ beschäftigen sie sich etwa mit der Orientierungslosigkeit durch die endlosen Neuigkeiten in den neuen Medien: „Die Schilder, die Regeln, die Presse, der Blog / Die Päpste, die Jedi, die Hater, der Bot / Wetter.de und die Neue vom Chef / Sie hat‘s von Lena und die aus’m Netz“. Ihre Shirts und die Bühnenwände, die eher dem weißen Raum einer Kunst-Galerie gleichen, zieren Schlagworte.

Schon der Beginn des Konzerts ist denkbar ungewöhnlich. Nachdem das Publikum Musikvideos von klassischem HipHop der 1990er Jahre bis zum Rap-Rave der Südafrikaner von Die Antwoord bejubelt hat, erklingt die Stimme des berühmten Film-Regisseurs Werner Herzog: „Schauen Sie ja nicht direkt in einen Handyblitz – daran kann man direkt erblinden. Und jetzt haben Sie viel Vergnügen.“ Doch noch etwas trennt das Publikum vom reinen Vergnügen: Ein Video, in dem der an den Füßen an einen Kran gebundene, nackte Schauspieler Lars Eidinger erst in blaue Farbe getunkt und dann über weiße Böden geschleift wird. Diese Art Action-Malerei mündet in die musikalische Aktionskunst von Deichkind.

Ein trennendes Element bleibt den gesamten Abend über bestehen: Es bleibt schwer, stumpf die Musik zu feiern, weil die Rapper immer eine zweite Ebene andeuten, Bezüge, Metaphern, die man gern durchdringen würde. Es gibt in keinem Moment Livemusik, noch nicht einmal ein DJ steht auf der Bühne. Und wer von den meist sieben verkleideten Männern nun eigentlich das Kernteam aus Kryptik Joe, La Perla und Porky sind, ist auch nicht immer klar. Doch spätestens, wenn die drei zum Hit „Roll das Fass rein“ in einem riesigen Fass durch das Publikum rollen, eine Fahne hissen, auf der steht „Kein Bier für Nazis“, dann ist das auch egal. Die Zeichen stehen auf Party, und der Demo-Hit „Remmidemmi“ kommt bald.

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