Frau Laaser, vor Gericht vertreten Sie Künstler. In Düsseldorf wirft ein Komponist dem Schauspielhaus vor, für seine Arbeit nicht angemessen vergütet worden zu sein. Kennen Sie solche Fälle?
Interview Sonja Laaser „Viele Künstler kennen ihre Rechte nicht“
Düsseldorf · Streitfall am Landgericht: Der Komponist Parviz Mir-Ali verklagt das Schauspielhaus Düsseldorf. Eine Expertin gibt Antworten auf rechtliche Fragen.
Der Komponist Parviz Mir-Ali verklagt das Schauspielhaus Düsseldorf. Der Streitwert beträgt 10.000 Euro. Der Fall wird am 8. Mai am Landgericht verhandelt. Sonja Laaser (36) ist freie Dramaturgin und Rechtsanwältin. Sie vertritt die Künstler vor Gericht.
Laaser Ja. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Arbeiten ohne Zustimmung der Urheber übernommen und nicht vergütet werden.
Im aktuellen Fall geht es vor allem um die Frage, ob die Musik notwendig ist für das Verständnis der Handlung oder nicht.
Laaser Richtig, es geht um die Abgrenzung von Großem und Kleinem Recht – obwohl beide Begriffe in der Rechtpraxis nicht eindeutig definiert sind. Bezogen auf diesen Fall meint das Große Recht Aufführungen, bei denen die Musik in eine dramatische Spielhandlung einbezogen wird. Das Kleine Recht wiederum greift bei von der Handlung unabhängiger Hintergrundmusik. Wichtig ist die Unterscheidung für die Zuständigkeit der Rechteverwertung: Ein Haus kann das Kleine Rechte bei der Gema erwerben. Das Große Recht muss er direkt von dem Urheber, hier dem Komponisten, erwerben. Der Komponist vertritt im aktuellen Fall den Standpunkt, dass es sich bei seiner Komposition um Großes Recht handelt und nur er die Rechte einräumen kann.
Zudem singt eine Schauspielerin ein Lied, dessen Text sie selbst geschrieben hat. Somit folge sie nicht mehr den Vorgaben der Komposition, argumentiert das Schauspielhaus.
Laaser In diesem Fall stellt sich die Frage, ob das eine erlaubnispflichtige Bearbeitung der Komposition oder eine sogenannte freie Bearbeitung ist. Bei einer erlaubnispflichtigen Bearbeitung müsste der Komponist der Veränderung der Komposition zustimmen, bei einer freien Bearbeitung nicht.
Das Schauspielhaus hat der Forderung des Komponisten in der ersten Spielzeit entsprochen und ihm ein Honorar für die Aufführung seines Werkes gezahlt. In den folgenden Spielzeiten hat das Haus diese Zahlungen mit der Begründung verweigert, es handele sich um Kleines Recht und daher sei die Vergütung für die Aufführung der Komposition an die Gema zu zahlen.
Laaser Es wäre jedenfalls kulant, wenn das Schauspielhaus seit der ersten Spielzeit davon ausginge, dass es sich um Kleines Recht handelt, und sowohl Entgelte an die Gema als auch eine Vergütung an den Komponisten gezahlt hätte. Dann hätte das Schauspielhaus die Aufführungsrechte an der Komposition doppelt vergütet.
Es gehört Mut dazu, ein Theater zu verklagen. So etwas spricht sich herum und kann den Job kosten.
Laaser Viele Künstler wissen nicht, welche Rechte sie haben und versäumen es daher, ihre Rechte einzufordern. Häufig kommt es bereits vor der Einreichung einer Klage zu einer einvernehmlichen Einigung. Sollte keine Einigung erzielt werden, müssen die Künstler erst einmal das Geld haben, um sich einen Rechtsbeistand zu leisten. Und dann besteht die durchaus berechtigte Sorge, dass man an diesem Theater und auch an anderen Häusern nicht mehr engagiert wird. Die Künstler sind sich der überlegenen Machtposition der Häuser durchaus bewusst.
Haben Sie Künstlern deswegen schon von einem Rechtsstreit abgeraten?
Laaser Ja, diese Entscheidung gibt es oft.
Sie sind in zwei Disziplinen tätig, konnten Sie sich nicht entscheiden?
Laaser Ich möchte beides. Mit meiner jetzigen Tätigkeit als freie Dramaturgin und als Rechtsanwältin habe ich eine perfekte Balance gefunden. Zudem hilft mir meine Theaterarbeit, meine Mandanten besser zu verstehen.