Kommödchen mit Fußball-Programm Deutschland gucken, auch ohne Deutschland

Düsseldorf · Zur Weltmeisterschaft hat das Ensemble des Kom(m)ödchens sein Fußball-Erfolgsprogramm aufgelegt – mit ein paar Änderungen.

 Zur Abwechslung mal „Deutschland gucken“ – mit (v.l.) Martin Maier-Bode, Daniel Graf, Maike Kühl und Heiko  Seidel.

Zur Abwechslung mal „Deutschland gucken“ – mit (v.l.) Martin Maier-Bode, Daniel Graf, Maike Kühl und Heiko Seidel.

Foto: Kommödchen

In der Welt des Fußballs wäre das wohl so eine Art Aufwärmen. Also das Treffen vor dem Spiel, nur ist das Feld jetzt die Bühne des Kom(m)ödchens und die Akteure sind keine Mannschaft, sondern das Ensemble. Also Maike Kühl, Daniel Graf und Martin Maier-Bode. Heiko Seidel kommt etwas verspätet dazu; blöder Stau auf der Fahrt aus einer Zweitligastadt südlich von Düsseldorf mit ziemlich großer Kirche.

Gleich ist wieder Anpfiff für „Deutschland gucken“, für das schon vier Jahre alte Programm, das partout nicht alt werden will, das immer wieder und vielerorts gespielt wird und mittlerweile allein in Düsseldorf über 100.000 Zuschauer ins Kom(m)ödchen spielte. Und jetzt wird zur WM einfach weiter ein bisschen Deutschland geguckt, auch ohne Deutschland, was für Fans eine mittelschwere Katastrophe und für Kabarettisten ein dankbarer Stofflieferant ist.

„Deutschland gucken“ ist kein Fußballmärchen, und wer die vier vor dem Anpfiff fragt, was man sieht, wenn man im Juli 2018 auf Deutschland schaut, bekommt ein düsteres Bild gezeichnet. „Ein total zerrissenes Land“ sei das, sagt Maier-Bode. Und Heiko Seidel meint: „Das ist doch Chaos, oder?“ Er hat sich sogar bei dem Gedanken erwischt, dass man sich nie vorstellen konnte zu hoffen, dass Merkel Kanzlerin bleibe. Das Pochen auf nationale Ziele könne in Europa nur zum Streit, am Ende gar zum Krieg führen. Dabei geht es bei „Deutschland gucken“ doch nur um Fußball. Aber was heißt nur? Auch darum rennen ja so viele ins Kom(m)ödchen. Und man muss auch gar kein Fußballfan sein, so Maike Kühl aus sehr eigener Erfahrung.

Etwas später geht es draußen in der Altstadt hoch her im Achtelfinale der WM, während auch im Kom(m)ödchen das Spiel angepfiffen wurde mit einer Paarung, die seit der Premiere 2014 im Textbuch steht und die aktuell durchaus denkbar, zumindest machbar wäre: Deutschland gegen Holland, als Freundschaftsspiel, versteht sich. „Endlich wieder ein Spiel auf Augenhöhe“, heißt es auf der Bühne.

Dass Deutschland bei der WM historisch früh rausgeflogen ist, sei gerade das Tolle, erklärt Dieter (Martin Maier-Bode im DFB-Trikot) leidenschaftlich, der hart arbeitende Familienvater und Deutschlandfan im Stück. Da könne man jetzt Holland zünftig, also vernichtend schlagen. Zum Beispiel: eins zu null. Oder auch anders. Aber auf jeden Fall muss Deutschland gewinnen, schließlich seien sie doch die Besten; und der Beste gewinne immer. Der Widerspruch von deutscher Fußball-Selbstverherrlichung und der WM-Leistung spielt kaum eine Rolle. Aber wie die Deutschen Deutschland sehen, darum geht es eben doch.

Denn wie wir die deutsche Mannschaft anfeuern, das ist auf jeden Fall politisch. Die Gründe für unsere nationale Unterstützung, das Ausmaß an getragenen Deutschlandfarben, die Snacks beim Fußballgucken, nichts, aber auch wirklich nichts ist bedeutungslos. Denn wer Deutschland „nur ironisch“ anfeuert – wie der Leistungsverweigerer Lutz (Daniel Graf) – oder dazu vegane Snacks isst, wie der reiche Erbe Bodo (Heiko Seidel) und seine hippe Freundin Solveig (Maike Kühl) – der denkt und ist anders als jemand, der sich traut, auf sein Deutschsein stolz zu sein, wie der vielbeschäftigte Familienmensch Dieter.

Und doch gucken sie alle immer weiter Fußball, die Deutschen, Weltmeisterschaft hin oder her. Das verbindet den Familienvater mit dem Superreichen und dem Gesellschaftsaussteiger. Beim Fußball klafft nirgends eine gesellschaftliche Schere. Doch weil letztlich die Unterschiede bleiben, können sich die Fußball-Kumpels auch so herrlich über alles und jedes streiten – so, wie sie es im Laufe von „Deutschland gucken“ auf der Bühne tun.

Wenn es vor dem Gucken des Hollandspiels auf der Bühne um alles und nichts geht, erkennt man: Die WM selbst, und alles, was an ihr hängt, ist für den deutschen Fußballfan eher ein Extra. In Wirklichkeit geht es beim deutschen Fußballgucken nicht um Siege um jeden Preis, sondern um etwas anderes: um eine Art Ritual, eine gemeinsame Identität über Partei- und Gehaltsgrenzen hinweg. Deshalb ist es auch völlig okay, wenn Deutschland bei der WM rausfliegt. Hauptsache, man siegt gegen die Holländer.

Dann ist das Spiel erst einmal aus, im Kom(m)ödchen. Draußen tobt irgendeine Verlängerung. Noch zwei Extra-Aufführungen wird es in dieser Woche im Kom(m)ödchen geben, die WM dauert länger. Hat also der Fußball doch das letzte Wort? Nicht doch. Denn dass „Deutschland gucken“ auch zur WM 2022 zu sehen sein wird, ist nicht völlig ausgeschlossen. Zumindest ist es wünschenswert.

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