Köln: Hockney und Hamilton im Museum Ludwig Kritischer Hamilton, zärtlicher Hockney

Köln · Das Kölner Museum Ludwig zeigt britische Pop-Art und gewährt Einblicke in die Leere hinter dem Trubel.

Die Swinging Sixties waren in Großbritannien nicht nur Minirock und Twiggy, Carnaby Street und Drogen. Auch zwei heute weltbekannte Künstler liehen der Zeit ihre Gesichter und blickten dabei unter die Oberfläche von Freiheit, Freizügigkeit und Bespaßung. Der eine, Richard Hamilton (1922-2011), verdichtete Versatzstücke der Populärkultur zur Kritik, um die Leere hinter dem Trubel zutage treten zu lassen. Der andere, der heute 81-jährige David Hockney, fabulierte auf scheinbar naive Weise vom Leben im 20. Jahrhundert, ging aber nahezu unmerklich auch in die Tiefe. Von alledem zeugt eine kleine, bezaubernde Ausstellung im Kölner Museum Ludwig: „Hockney/Hamilton. Erweiterte Grafiken“.

Massenmedien, Massenkonsum, Massenidole – das waren Hamiltons Lieblingsthemen. In einer aus mehreren Einzelbildern zusammengesetzten Fotocollage, die er einem Magazin entnommen hat, gibt er wieder, wie Marilyn Monroe die Ergebnisse einer Foto-Session korrigiert und rigoros bewertet hat. Fast alle Motive sind durchgestrichen. Marilyn schickt sie zurück in den medialen Fluss, aus dem sie sie gefischt hat. Im Licht- und Siebdruck „Lobby“ posiert links hinter einem roten Sofa ein junges Paar, während rechts eine ringsum verspiegelte Säule einen Blick in den gesamten Raum ermöglicht – Lobby, auch so ein Phänomen der Massengesellschaft.

Deren sonst oft unbeachtete Schattenseiten offenbart Hamilton in Radierungen zum Thema „Gewalttätiges London“: Zwei aus der Haft entlassene Männer halten sich zum Schutz vor den unerbittlichen Fotografen die Hände vor die Augen.

So kritisch Hamilton mit seiner Zeit ins Gericht geht, so unspektakulär, still und scheinbar abseitig kommt Hockneys Kunst daher. Seine von zartem Strich bestimmten schwarzweißen „Illustrationen zu 14 Poemen von C. P. Cavafy“ von 1966 sind eine frühe Liebeserklärung an die Vielfalt sexueller Orientierung. Der ägyptisch-griechische Dichter Constantine Peter Cavafy (1863-1933) inspirierte nach seinem Tod Hockney zu jenem Zyklus, in dem er unaufdringlich die Liebe zwischen Männern feierte und sich damit auch selbst öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte – damals noch ein mutiger Schritt.

„Blumen, so schön und weiß, wie sie ihm angemessen“ lautet der Titel eines dieser Gedichte. Es handelt von zwei Männern, die immer zusammen ins Kafenion gingen und Freunde wurden. Eines Tages aber wurde der eine dem anderen untreu und wandte sich einem neuen zu, der sich als Lügner erwies. Er kehrte zurück zum alten Freund. Jetzt ist er tot. Der Überlebende hatte auf seinen Sarg Blumen fallen lassen und geht nun allein ins Kafenion – „Messer ins Herz“. Das ist das traurige Ende dieser beiläufigen und doch ergreifenden Liebesgeschichte. In Hockneys Illustration liegen die beiden bäuchlings nackt auf einem Bett, am unteren Bildrand von einer auffällig ornamentalen Decke beschützt.

In einer anderen Radierung zeigt sich ein junger, adretter Mann mit Krawatte und Brille, ein Laufbursche, der ein Päckchen abgegeben hat und dann vor einen Spiegel tritt. Im Gedicht dazu heißt es: „Hatte der alte Spiegel auch gesehn / in all den Jahren / der Dinge und Gesichter Tausende, / so war er glücklich doch und stolz, / das in ihm war vollkommene Schönheit / für eine kurze Weile.“ Einer der ersten Filme des britischen Kunstfilm-Pioniers James Scott beobachtet Hockney geduldig bei der Arbeit an den Cavafy-Illustrationen. Bis hin zu Entwurf und technischer Verfertigung jener Bettdecke erklärt der Künstler jeden Arbeitsschritt. Als er am Ende das fertige Blatt aus der Druckpresse zieht, hat er nicht ein einziges Mal den homoerotischen Charakter dieser Blätter erwähnt, so selbstverständlich war ihm das Thema.

Die Kölner Sammler Herbert Meyer-Ellinger und Christoph Vowinckel haben dem Museum den Zyklus vor drei Jahren geschenkt. Jetzt ist er erstmals ausgestellt, mit dem Sammlungsbestand an Papierarbeiten von Hockney und Hamilton, ergänzt um Leihgaben aus Privatbesitz. Eine weitere Schenkung steht, wie man hört, unmittelbar bevor.

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