Köln: Fälscherskandal weitet sich aus

Die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen vier Personen Anklage wegen Kunstbetrugs in Millionenhöhe erhoben. Es geht um 14 Fälle. Gleichzeitig gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie gegen drei zusätzliche Personen ermittle – wegen weiterer 33 mutmaßlicher Fälschungen.

Köln In einem der größten Kunstfälscher-Skandale der Nachkriegszeit hat die Kölner Staatsanwaltschaft gestern Anklage gegen ein betrügerisches Quartett erhoben. Es bot vorzugsweise Werke an, die seit Jahrzehnten als verschollen galten und aus Sammlungen stammen, die sie selbst erfunden hatten: der "Sammlung Werner Jägers" und der "Sammlung Wilhelm Knops". Den Angeklagten werden "banden- und gewerbsmäßiger" Betrug sowie Urkundenfälschung in 14 Fällen vorgeworfen. Drei der Beschuldigten sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Darüber hinaus gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass die Ermittlungen gegen das Quartett und gegen drei weitere Personen wegen 33 weiterer, vermutlich ebenfalls gefälschter Gemälde in einem gesonderten Verfahren fortgeführt werden. "Um den Ermittlungszweck nicht zu gefährden, können hierzu gegenwärtig keine weiteren Angaben gemacht werden", erklärte die Staatsanwaltschaft lapidar.

Angeklagt sind im Hauptverfahren die Enkeltochter des 1992 in Köln verstorbenen Werner Jägers, Helene B. (52), ihre Schwester Jeanette S. (53) und ihr Ehemann Wolfgang B. (60) sowie der Enkelsohn des 1957 verstorbenen Wilhelm Knops, Otto S. (67). Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, dass sie die gefälschten Gemälde unter den fingierten Provenienzen "Sammlung Jägers" und "Sammlung Knops" europaweit in den Kunsthandel geschleust und sich dadurch Einnahmen in Höhe von mehreren Millionen Euro verschafft hätten. Als Einzige des Quartetts befindet sich Jeanette S. auf freiem Fuß; eine maßgebliche Beteiligung wird ihr lediglich in dreien der 14 Fälle vorgeworfen.

Das Strafgesetzbuch sieht für solche Taten eine Regelfreiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Nicht angeklagt ist dagegen – das stellte die Staatsanwaltschaft gestern klar – der Inhaber des Kunstauktionshauses Lempertz, das einige der gefälschten Kunstwerke versteigert hatte, darunter ein angebliches Gemälde des rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk für 2,4 Millionen Euro: "Rotes Bild mit Pferden".

Um die Herkunft der Bilder hatten die mutmaßlichen Betrüger eine schlichte Legende gerankt. Helene B., Wolfgang B. und Jeanette S. gaben vor, die Werke stammten aus der Sammlung ihres 1992 verstorbenen Großvaters Werner Jägers. Der rheinische Kaufmann habe die Werke bei dem berühmten, einst auch in Düsseldorf tätigen Kunsthändler Alfred Flechtheim erworben.

Otto S. schließlich, der Vierte im Bunde, erklärte, seine Werke stammten aus der Sammlung seines Großvaters, des 1957 gestorbenen Krefelder Schneidermeisters Wilhelm Knops. Und damit die Geschichte auch schön rund wurde, behaupteten sie, der Industrielle und der Schneider seien gute Bekannte gewesen.

Die Rollenverteilung sah so aus: Wolfgang B. soll die Fälschungen hergestellt haben, Helene B. und ihre Schwester sollen sie nach und nach an Auktionshäuser weitergereicht haben. Henrik Hanstein, Inhaber des Auktionshauses Lempertz, gab vor Aufdeckung des Skandals treuherzig zu Protokoll, die Bilder hätten "einen guten Eindruck" gemacht. Davon hat er sich dermaßen hinreißen lassen, dass er glatt darüber hinwegsah, dass weder die Sammlung Jägers noch die Sammlung Knops bis dahin aktenkundig geworden waren.

Doch Hanstein war nicht der Einzige, der sich hatte blenden lassen. Scharen von Sachverständigen in Auktionshäusern und Museen waren auf jenes gleichfalls gefälschte Schildchen hereingefallen, das als Aufkleber die Rückseiten der Bilder zierte: das angebliche Herkunftsschild der Galerie Flechtheim. Es suchte Bilder zu beglaubigen, die angeblich von Max Ernst oder Fernand Léger stammten, von Pechstein oder Derain. Die Summen, welche die Betrüger mit den Bildern verdienten, flossen dem Vernehmen nach auf Konten in der Schweiz, in Andorra und in Frankreich und sind zu einem großen Teil noch nicht gefunden.

Otto S., der reisende Logistiker der Truppe, hatte seinen letzten Auftritt im Sommer 2010 in Ahlen, wo er dem Chef des Kunstmuseums zwei Fälschungen übergab mit der Bitte, sie auf den Markt zu bringen. Als man Otto am 1. Dezember in seiner Krefelder Wohnung festnahm, sah er aus – so heißt es – wie ein armer Mann. Die Wohnung, so steht es im Protokoll, "befand sich in einem verwahrlosten und ungepflegten Zustand".

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort