Aufarbeitung in der Katholischen Kirche Kirche zahlt 40 Millionen Euro an Betroffene
Bonn · 2112 Anträge von Missbrauchsbetroffenen sind seit Anfang des vergangenen Jahres bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen eingegangen. Inzwischen werden nur noch wenige Anträge gestellt.
Bürokratischer lässt sich im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche dieses Bilanz kaum benennen: Von einem „Tätigkeitsbericht“ des Jahres 2022 ist die Rede, mit dem jetzt die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) ihre Arbeit dokumentierte – und damit zumindest ein Zeichen aussendete, dass Betroffene sexualisierter Gewalt zunehmend wahrgenommen und ihr großes Leid anerkannt wird. So konnten in den beiden vergangenen Jahren insgesamt Zahlungen an Betroffene in Höhe von mehr als 40,8 Millionen Euro beschlossen werden.
Was aber mindestens so bedeutsam ist: Die UKA – zum 1. Januar 2021 gegründet – bewältigt inzwischen deutlich schneller den Berg der Anträge. Auch dies hatten Betroffene immer wieder kritisiert: Dass angesichts des zum Teil hohen Alters der Antragsteller viel zu spät über mögliche Anerkennungsleistungen entschieden werde. So sind aktuell nur etwa 270 Anträge offen, von insgesamt 2112, die bei der UKA seit ihrer Gründung eingingen. Und dass ihre Zahl weiter sinken dürfte, ist wahrscheinlich. Denn auch die Zahl der eingehenden Anträge nimmt rapide ab. Waren es im Februar und März 2021 noch monatlich jeweils etwa 330 Anträge, so sind es seit den vergangenen sechs Monaten nur etwas mehr als 30 Anträge.
Das alles sind kalte Zahlen, die über das Leid der Betroffenen keinerlei Auskunft geben, wie auch die UKA-Vorsitzende, Richterin Margarete Reske, betonte. Alle Daten können allenfalls eine Ahnung vom Umfang des Missbrauchs in der katholischen Kirche geben. Doch obwohl der „Tätigkeitsbericht“ keine Art Missbrauchsgutachten ist, gibt das Zahlenmaterial Aufschluss über die Strukturen. Nach den Anträgen fanden die meisten Taten in den 1960er und -70er Jahren statt (60 Prozent); weniger als neun Prozent seit 1990er Jahren. Wobei die meisten Betroffenen über mehrere Jahre den Tätern ausgesetzt waren: Von Einzelereignissen künden nur zehn Prozent der Anträge, bei weiteren zwölf Prozent liegt die Zeitspanne bei maximal einem Jahr. Dagegen werden Missbrauchstaten über einen Tatzeitraum von mehr als sechs Jahren bei einem Viertel der Fälle geschildert. Wobei Kinder in Heimen über einen weitaus längeren Zeitraum missbraucht wurden, und in besonders schweren Fällen mehr Mädchen als Jungen. Einrichtungen, die Schutz bieten sollten, waren „oftmals ein Ort der Angst und Unsicherheit und riefen großes Leid hervor“, so Reske.
Was schwere, was leichte Fälle sind, lässt sich in den Anerkennungserfahren nur im Einzelfall klären. Hinweise geben die Höhe bisheriger Zahlungen: 1184 Anträge wurde mit bis 20.000 Euro bemessen, 482 bis zu 50.000 Euro und 143 über 50.000 Euro, darunter 24 Fälle mit über 100.000 Euro. Wird die Bemessungsgrenze von 50.000 Euro überschritten, bedarf es ausnahmsweise der Genehmigung der kirchlichen Institution. Nach Auskunft der UKA sei diesen Zahlungen in allen 143 Fällen zugestimmt worden.
Die Arbeit der unabhängigen Kommission ist ein kleiner Lichtblick im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche, die sich weiterhin so schwer tut mit Reformen von Strukturen, die sexualisierte Gewalt begünstigen. Zumindest eine Neuheit betrifft die Arbeit der UKA: Ab März können Betroffene Widerspruch gegen die Entscheidung der UKA einlegen und Einsicht in die Verfahrensakten nehmen.