Katholikentag als Mission

Interview Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (48) über die Vielgestaltigkeit des deutschen Katholizismus, die Notwendigkeit zum Aufbruch und über das von den Laien gewünschte Diakonat der Frau, für das die Kirche aber, so Overbeck, keinen Auftrag habe.

Mannheim Gestern Abend wurde der Katholikentag in Mannheim eröffnet – mit einem Grußwort von Papst Benedikt XVI. Katholikentage sind keine Harmonieveranstaltungen, sondern stets Versuche einer mutigen Standortbestimmung der Kirche. In Mannheim, wo rund 60 000 Gläubige erwartet werden, stellen die Laien den "Aufbruch" in den Mittelpunkt der Debatten. Einer, der dabei neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck in vielen Veranstaltungen mitwirken will, ist der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, mit 47 Jahren der jüngste deutsche Diözesanbischof.

Mannheim ist der erste Katholikentag nach dem Besuch von Papst Benedikt in Deutschland. Welche Aufgaben hat er der Kirche in Deutschland hinterlassen, die jetzt auch zum Thema des Katholikentages werden können?

Overbeck Dazu gehört vor allem die These von der Entweltlichung der Kirche und die damit verbundenen kritischen Fragen, die wir uns immer wieder stellen müssen: Wo steht unsere Kirche in der Welt? Inwiefern wird die Verkündigung des Glaubens durch die vielen Strukturen und Aufgaben behindert, die wir mit und für andere wahrnehmen? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie wir dabei noch missionarisch wirken können. Deutlich wurde in den Predigten des Papstes auch Folgendes: Wir müssen mit Blick auf unser Glaubenszeugnis eindeutig und bescheidener, klarer und öffentlicher werden.

Im Zusammenhang mit der These von der Entweltlichung der Kirche gab es bei den hierzulande traditionsreichen Laien-Organisationen die Sorge, dass der Wert ihrer Arbeit sinkt.

Overbeck Darum geht es nicht. Aber alle Organisationen dieser Art müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie den Anforderungen der Zeit entsprechen und ob sie möglicherweise Entwicklungen behindern. Das ist natürlich für die katholische Kirche in Deutschland auch eine kritische Frage.

Sie werden in Mannheim mitwirken. Es kommen aber nicht alle Bischöfe; sind Katholikentage bei manchen immer noch ein eher ungeliebtes Kind?

Overbeck Ich selber kenne die Katholikentage aus meinen Jugendtagen und weiß um die Vor- und Nachteile. Für mich ist es notwendig zu unterstreichen, wie wichtig es jetzt ist, einen Aufbruch zu wagen. Auch in meinem Bistum habe ich den Dialogprozess initiiert. Deshalb ist es für mich jetzt wesentlich, in Mannheim dabei zu sein. Ich will die Vielgestaltigkeit des Katholizismus positiv würdigen und vor allem dazu ermutigen, zeitgemäß den Glauben zu leben.

Wo sehen Sie die Grenzen dieses Dialogs?

Overbeck Die Grenzen liegen beim Glaubensgut, für das ich als Bischof in Gemeinschaft mit den Bischöfen und dem Papst einstehe und das im Alltag nicht verhandelbar ist. Aber es geht bei den Foren stärker darum, die Kirche jetzt zu gestalten und die Fragen zu beantworten, die uns unter den Nägeln brennen.

Vor dem Katholikentag hat der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, betont, dass Veränderung in der Kirche stets von unten beginnt. Zugleich hat das ZdK eine Diskussion über das Diakonat der Frau angestoßen mit dem Hinweis, dass dies auch eine Überlebensfrage der Kirche sei.

Overbeck Die Entwicklungen, die in der Kirche Neues gebracht haben, nahmen ihren Anfang immer von geist- und kirchenbewegten Frauen und Männern. Es ist immer ein Zusammenspiel von allen, die Kirche ausmachen. Die Initiative des ZdK haben wir zur Kenntnis genommen. Papst Johannes Paul II. hat deutlich gesagt, dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch der Diakonat der Frau zu sehen. Wir haben uns darüber ausgetauscht. Es ist wenig förderlich, auch dieses Thema wieder auf das Tablett der Öffentlichkeit zu legen. Ich jedenfalls werde mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Fragen und den Problemen widmen, die jetzt zu lösen sind.

In Mannheim werden 30 000 Dauerteilnehmer erwartet; hinzu kommen etwa 30 000 weitere Tagesgäste. Ist der Katholikentag somit eine Erinnerung daran, was Volkskirche einmal gewesen ist?

Overbeck Die Kirche befindet sich immer in Prozessen der Veränderung. Dass sie dabei auch Orte der Vergewisserung, vor allem der Vergemeinschaftung und damit großer Öffentlichkeit braucht, zeigt, dass die Kirche lebendig ist, auch unter verschiedenen Bedingungen. Das kann man an Katholikentagen, aber auch an vielen anderen Ereignissen sehen. Der Katholikentag selber ist dabei so etwas wie ein Fokus, der Themen, die uns bewegen, in aller Buntheit – wie Menschen eben sind – deutlich macht. Und zur Erinnerung an die Volkskirche: Wir sollten uns nicht in irgendeine Welt zurückträumen, von der wir glauben, sie sei genauso gewesen, wie wir sie uns vorstellen. Als Bischof lebe ich mitten in unserer heutigen Welt, also in der Gegenwart, um nach einer vielleicht notwendigen Zeit der Trauer – weil eine wichtige Phase der Kirchengeschichte zu Ende geht – heute das Neue beherzt anzupacken.

(RP)
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