Düsseldorf Kardinal Lehmann: "Mehr Feuereifer für den Glauben"

Düsseldorf · Manche Pfarrer predigen nach altbekanntem Spott "ihre Kirche leer". Karl Kardinal Lehmann, dem Bischof von Mainz und Gelehrten, ist es gelungen, die Kirche, in diesem Fall Sankt Lambertus in Düsseldorf, so zu füllen, dass keine Bank, kein Stuhl unbesetzt blieben. Lehmanns Thema deutete auf reichhaltige geistige Nahrung, das Gegenteil von intellektuellem Fast Food: "Das Leben der Kirche im Wagnis der Moderne."

Die Moderne macht es Kirche und christlichem Glauben nicht leicht. Der Kardinal sagte es so: "Sehr viele Menschen leben, als ob Gott nicht existiert." Das moderne, zunehmend individualisierte Leben lasse oft keinen Türspalt offen für das, was unser Leben übersteige. Zudem leide die Kirche unter einer um sich greifenden Zurückhaltung gegenüber Institutionen, noch dazu, wenn diese wie die Kirche mit verbindlichem Anspruch auf Wahrheit aufträten. Heute drohe die Gefahr, dass jeder nach eigenem Belieben handele und die Kirche als sperrig empfinde, wenn sie auf Freiheit und Verantwortung, eine rechte Balance zwischen Freiheit und Ordnung bestehe und sich so gegen den Zeitgeist stelle. Selbstkritisch fragte der Gast aus Mainz, warum es der Kirche nicht besser gelinge, deutlich zu machen, dass ihr Bestehen auf unverrückbaren christlichen Maßstäben menschliche Freiheit nicht verengt sondern schützt.

Lehmann verlangte keinen kindlichen, unkritischen Gehorsam gegenüber der Kirche, aber doch mehr Feuereifer, Leidenschaft, auch Zivilcourage beim Eintreten für die christliche Botschaft und für Gott, der seiner Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden beistehe bis ans Ende der Zeit: "Wir machen nicht die Kirche. Diese fordert unser Zeugnis in Wort und Tat." Der Theologe und Philosoph erwähnte Kritik an der Kirche aus enttäuschter Liebe und auch aus purer Gehässigkeit. In dem Zusammenhang geißelte er ein "Ausmaß an Halbbildung in Sachen von Kirche und Glauben", das erschreckend sei.

Auch verwundert Lehmann der zunehmende Hang vieler Menschen zu Formen ungebundener Privat-Religiosität. Man bastele sich so romantisch wie manchmal auch naiv-abergläubig nicht selten eigene Religionen aus ostasiatischer Spiritualität, Meditation, auch Astrologie und Magie zusammen.

Lehmann, dessen Bischofs-Wahlspruch "state in fide" ("Steht fest im Glauben") lautet, zitierte aus den Schriften großer Geister, die trotz allen Leidens an ihrer Kirche und der Erkenntnis von deren Sündhaftigkeit um die frei machende Kraft der Glaubens in und mit der Kirche wussten beziehungsweise wissen. Der Kardinal: "Es gehört zu einer erwachsenen Spiritualität, dass man die Kirche des Herrn liebt, ohne das Dunkel, das auch über Teilen ihrer Geschichte liegt, zu leugnen."

Das Wissen um die Sündhaftigkeit auch der Kirche nähme ihr nichts von der Berufung zur Heiligkeit. Lehmann zitierte den Bruder seines berühmten Doktorvaters Karl Rahner mit dieser Forderung: Christen müssten lernen, die Kirche mit Liebe und Sympathie zu ertragen wie erwachsen gewordene Kinder, die um die Schwächen ihrer Eltern wüssten. Aus einer früheren Schrift Joseph Ratzingers, des heutigen Papstes, las Lehmann dies vor: Wer die Gegenwart Christi in der Menschheit wolle, könne sie nicht gegen, sondern nur in der Kirche Jesu Christi finden. – Der Applaus im Düsseldorfer Gotteshaus war lang und kräftig.

(RP)
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