Recklinghausen Kapitalismuskritik an der Ruhr

Recklinghausen · Im Land der Freien ist nur der frei, der keine Schulden hat. "Wir sind frei", sagt Linda Loman am Ende etwas skeptisch fragend. Doch da hat Willi seinem Leben schon ein Ende gesetzt, damit seine Familie die Versicherungsprämie kassiert. Vom "Tod eines Handlungsreisenden" erzählt Wilfried Minks' Inszenierung für das St. Pauli Theater, die nun bei den Ruhrfestspielen zu sehen ist. Arthur Millers Kapitalismuskritik von 1949 wirkt darin kein bisschen angestaubt. Die Parallelen zur heutigen Welt, geprägt von Wirtschaftskrise, Immobilienblase und existentiellen Ängsten, liegen offen zutage.

"Ich möchte mal, dass mir etwas gehört, bevor es kaputt geht", sagt Willi Loman einmal über seinen Kühlschrank und sein Leben auf Pump. Um diesen alternden Handlungsreisenden dreht sich das Stück, das Minks in einer dunklen Wohnung ohne Fenster vor einem riesigen Dollarschein ansiedelt. Burghart Klaußner ist der Star der Inszenierung, kann er doch hier seiner Rolle des Vaters, die er schon oft im Kino gegeben hat, wieder neue Facetten abringen. Er gibt dem kleinen Mann, der sich bis zur Erschöpfung bemüht, seine Familie zu ernähren, tragische Größe. Sein Scheitern negiert Willy bis zum Schluss, gefangen in einem Netz aus Lebenslügen, Selbstzweifeln und Ängsten. Konsequent folgt das Stück seiner Perspektive, die psychologische Regie verschränkt geschickt Gegenwart und Erinnerung, die Willy manchmal selbst nur schwer auseinanderhalten kann. Wenn sein Sohn die Hand gegen ihn erhebt, duckt er sich; abends bettet er sich wie ein Kind auf dem Schoß seiner Frau.

"Nur der bringt es zu etwas, der beliebt ist", lautet seine Devise. Die hat seinen Söhnen nie weiter geholfen. Christian Sengewald arbeitet sich als Biff an den Träumen des Vaters ab, David Allers als Happy lebt ein Dandyleben und wird für Willy die Nummer zwei bleiben. Margarita Broich als verschrobene Mutter ergänzt das glänzende Ensemble, das einem die Zeit und die Figuren sehr nahe bringt. Am Ende bleibt ein Kloß im Hals: Die unerbittliche wirtschaftliche Abwärtsspirale ist kein Phänomen der Vergangenheit.

Aufführungen täglich noch bis 16. Juni; Tickets: www.ruhrfestspiele.de

(RP)
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