Multimediale Performance im FFT Auf der Suche nach der wahren Eurydike

Düsseldorf · Kainkollektiv hat sich im FFT dem antiken Stoff aus feministischer Sicht genähert. Das Bochumer Ensemble inszenierte seine Interpretation des Mythos multimedial.

Parallel zur Aufführung von „Schwarze Eurydike" entstanden live Zeichnungen, die auf eine Stoffbahn projiziert wurden.

Parallel zur Aufführung von „Schwarze Eurydike" entstanden live Zeichnungen, die auf eine Stoffbahn projiziert wurden.

Foto: Silvia Dierkes

Das kainkollektiv brachte seine „Schwarze Eurydike“ am Freitagabend als multimediale Performance auf die Bühne des Düsseldorfer FFT. Dabei mussten die Künstlerinnen auf zwei Sängerinnen aus Kamerun und Südafrika verzichten, die kein Visum für Deutschland bekommen hatten.

Das international zusammengesetzte Ensemble gab den abwesenden Kolleginnen trotzdem ihren „Auftritt“, indem das Publikum an den jeweiligen Stellen, die sie übernommen hätten, darauf aufmerksam gemacht wurde und die Sängerinnen als Videoprojektion Teil des Stücks blieben.

Der antike Mythos von Eurydike ist vielfach in Kunst, Literatur und Musik interpretiert worden. Jede Epoche hatte dabei ihre ganz eigene Sicht auf die Geschichte über ihren Abstieg in die Unterwelt und die Beziehung zu Orpheus. Das Bochumer kainkollektiv hat sich dem Stoff aus feministischer Sicht genähert und hinterfragt in „Schwarze Eurydike“ die europäische Operntradition. Insbesondere Claudio Monteverdis „Orfeo“ nehmen die Künstlerinnen zum Anlass, den Mythos Eurydike neu zu erzählen und ihm den Platz zuzugestehen, der ihm gebühren sollte. Dabei offenbart kainkollektiv, wie seit der Antike der Ursprungsmythos verklärt und verdreht wurde. In seinen Interpretationen werden Hinweise auf Eroberung, Vergewaltigung, Unterdrückung und Kolonialismus offenbar.

Die Künstlerinnen stellen Bezüge zu Ereignissen und Erfahrungen in ihren Heimatländern her. Jede von ihnen trifft auf die aus der Unterwelt kommende Eurydike, die sie mit den unbequemen Fakten konfrontiert. Zum Beispiel, die Apartheid in Südafrika und der bis heute anhaltende Rassismus. Oder, dass man in Kanada systematisch Kinder der First Nation ihren Eltern wegnahm, deren Leichen in Massengräbern verscharrt wurden. Sie entlarven die von Disney romantisierte Geschichte um Pocahontas und den britischen Eroberer John Smith als brutalen Betrug an ihrem Volk, der ihr mit gerade einmal 22 Jahren den Tod brachte.

Dafür tanzen, singen und rezitieren sich kainkollektiv operngemäß theatralisch durch die multimediale Inszenierung – zeitgleich gefilmt und auf einen Vorhang projiziert. Auf einer zweiten Stoffbahn entstehen immer wieder neue live gemalte Naturmotive, parallel zu den Erzählungen aus Afrika, Kanada, Europa und dem Iran.

Kainkollektiv stellen dabei auch Bezüge zur aktuellen Lage mit Pandemie und Kriegsgeschehen her. Ihr Fazit an diesem Abend ist ernüchternd: „Es ist von allem zu viel. Zu viel Gewalt, zu viel Tod, zu viel Gier, Hybris und Macht“. Themen, so wurde deutlich, die in vielen Opern auftauchen, deren Frauenrollen allzu oft einem Opfertod anheimfallen.

Die Botschaft des kainkollektivs aus der Unterwelt war entsprechend deutlich: Die Gesellschaft braucht eine feminine Sicht auf die Vergangenheit, um die Gegenwart zu ertragen und sich für die Zukunft zu wappnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort